Baraks Angebot

Mit seiner Ankündigung zweier Hauptstädte in Jerusalem signalisiert Israels Premier Kompromissbereitschaft gegenüber den Palästinensern

JERUSALEM taz ■ Den Ausführungen von Israels Premierminister Ehud Barak zur Existenz zweier Hauptstädte in Jerusalem bei Anschluss eines Friedensvertrages mangelte es nicht an Klarheit. „Wenn es zu einem Friedensvertrag kommt“, so Barak, „wird er ein Ende des Konflikts, permanente von der Welt anerkannte Grenzen für Israel, 80 Prozent der Siedler in Siedlungsblocks unter israelischer Souveränität, Sicherheitsarrangements und ein größeres Jerusalem als zur Zeit König Davids enthalten – mit einer soliden jüdischen Mehrheit, unter unserer Souveränität vereint und von der Welt erstmals als Hauptstadt Israels anerkannt.“

Das jüdische Jerusalem werde bisherige Siedlungen im Osten und Süden Jerusalems umfassen, die von Israel mit palästinensischer Zustimmung annektiert würden. Dafür würden die Palästinenser ihre Hauptstadt Al-Kuds bekommen. Kein jüdischer Premier, so Barak, würde sich zu einem Transfer des Tempelbergs unter palästinensische oder islamische Souveränität bereitfinden. Die Frage, ob er einer UNO- Souveränität oder einer Kontroll-Kombination aus UNO und spezifischen muslimischen Staaten zustimmen würde, ließ Barak offen.

Seine Erklärungen zu Jerusalem entsprechen dem Beilin-Abu-Mazen-Dokument, in dem der derzeitige israelische Justizminister und Arafats Stellvertreter 1995 übereinkamen, dass Jerusalem zwei Hauptstädte beherbergen könne. Al-Kuds soll im arabischen Vorort Abu Dis errichtet werden, der offiziell außerhalb der Jerusalemer Munizipalgrenzen in besetztem Gebiet östlich der Stadt liegt.

In scharfem Kontrast zu Baraks Erklärungen, mit der er die Öffentlichkeit offenbar auf notwendige Kompromisse in Jerusalem vorzubereiten gedenkt, stand der gestrige Besuch von Likud-Chef Ariel Scharon mit der Likud-Fraktion auf dem Tempelberg, der von blutigen Zusammenstößen begleitet war. Linke Abgeordnete reagierten empört. Der Besuch sei offenbar das erste Anzeichen für den Konkurrenzkampf um den Likud-Vorsitz zwischen Scharon und Benjamin Netanjahu“, meinte Jossi Sarid von „Meretz“. ANNE PONGER