Der Rosenkrieg ums Kind

■ Ein Vater will Verantwortung für seine kleine Tochter übernehmen – und darf nicht / Auch das neue Kindschaftsrecht hat nicht alle Probleme gelöst

„Gib's auf“, raten Freunde Martin Koch (Namen von der Redaktion geändert). Doch der kann und will nicht aufgeben. Seit zweieinhalb Jahren kämpft Koch vor dem Familiengericht um seine Tochter Simone, gegen die (Noch)-Ehefrau Susanna und sie gegen ihn. Was mit einer Liebeshochzeit im Sommer 1996 begann, hat sich inzwischen zum „Grabenkrieg“ entwickelt. Bei der Trennung der Eltern war Simone gerade mal neun Monate alt. Heute ist sie Dreieinhalb und stark neurodermitisch. Die Feindschaft zwischen Mama und Papa ist nicht spurlos an dem kleinen Mädchen vorübergegangen.

Momentan lebt Simone bei der Mutter. So hatte es der Richter vorläufig verfügt. Vater Koch verwies er aufs Besuchsrecht. Jedes zweite Wochenende darf der seine Tochter sehen. Das ist ihm jedoch viel zu wenig. Koch sieht nicht ein, warum seine Ex-Frau ein Vorrecht auf den gemeinsamen Nachwuchs haben sollte. Er habe sich vor der Trennung genauso um die Tochter gekümmert: „Ich ein ein fortschrittlicher Vater“, meint der 39-Jährige - und: „Ich will Verantwortung übernehmen.“ Das Kind sei ihm immer wichtiger gewesen als die Arbeitsstelle.

Damit ist Koch in der Gemeinschaft der Väter allerdings in der Minderheit. Die meisten Väter nehmen für ihren Nachwuchs keine Abstriche am Arbeitsplatz in Kauf: Weniger als zwei Prozent von ihnen legen einen Erziehungsurlaub ein. Die Erziehung der Kinder bleibt in den meisten Beziehungen Aufgabe der Frau. Weil dem so ist, haben Mütter vor dem Familiengericht auch bessere Chancen, den Nachwuchs zugesprochen zu bekommen. Allerdings regelt die überwiegende Zahl der getrennt lebenden Eltern Sorgerechtsfragen ohnehin außergerichtlich. Einen Anteil daran hat auch das neue Kindschaftsrecht, das seit dem 1. Juli 1998 in Kraft ist. So konnte Rolf Meinken, Familienrichter am Amtsgericht Bremen, seit Sommer 1998 eine „Entspannung“ feststellen.

Nach dem neuen Recht steht sowohl Mutter als auch Vater bei einer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht zu. Vor der Änderung gab es nur das„alleinige Sorgerecht“, das meist der Mutter zugesprochen wurde. Doch auch die nicht-ehelichen Väter profitieren von dem Gesetz: Sie können nun das gemeinsame Sorgerecht erhalten – ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte. Allerdings muss die Mutter ihr Einverständnis gewähren. Weiterhin behalten die Frauen im Kindschaftsrecht also die Oberhand.

Brigitte Melinkat von der „Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“ hat das neue Recht dennoch hart bekämpft. Sie beklagt negative Auswirkungen des Gesetzes für alleinerziehende Frauen: Männer könnten „der Frau in allen Erziehungsfragen reinreden“, die alltäglichen Pflichten aber der Mutter überlassen. Nach dem Motto „entweder Sorgerecht oder ich zahle keinen Unterhalt“ würden zudem viele nicht-eheliche Väter alleinerziehende Frauen unter Druck setzen, ihr Einverständnis zum väterlichen Sorgerecht zu geben.

Unterhaltszahlung ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen Mann und Frau nach der Trennung. Rund 800.000 Männer in Deutschland drücken sich um den Unterhalt für ihren Nachwuchs. Während die Frauen klagen – „Die Männer zahlen nicht“ – beschweren sich die Männer: „Obwohl wir zahlen, verwehren uns die Frauen den Zugang zum Kind.“

Martin Koch zahlt zwar Unterhalt – will jedoch nicht „auf den monatlichen Scheck reduziert“ werden. „Die Verbesserung von Väterrechten ist nur Theorie“, meint er. „Nur für die, die sich friedlich trennen, ist die Änderung ein Gewinn.“ Sonst gelte: "Wer das Kind hat, hat die Macht.“ Meistens die Frau.

Dabei sah es eine Zeitlang garnicht schlecht aus für den 39-Jährigen. Die Gutachterin, die das Gericht als Sachverständige zurate gezogen hatte, sprach sich für einen Wechsel zum Vater aus, obwohl Simone damals schon ein Jahr bei der Mutter gelebt hatte. Ihre Begründung: Das Kind habe eine „ungewöhnlich intensive Bindung zum Vater.“ Außerdem bestünde die Gefahr, die „Mutter könnte dem Vater das Kind dauerhaft entziehen.“ Ungewöhnlich war die Reaktion des Gerichts: Das gab sich unbeeindruckt und machte zudem Abschnitte im väterlichen Besuchsrecht. Nicht mehr alle zwei, sondern nur noch alle drei Wochen wurde es Koch erlaubt, Simone zu sehen. „Angesichts dieses Gutachtens“ eine „erstaunliche“ Entscheidung, findet auch Brigitte Melinkat.

Das Gericht ordnete im Fall Koch ein zweites Gutachten an und entsprach damit dem Wunsch der Mutter: „Ein Verweilen des Kindes bei der Mutter wird empfohlen.“ Frau Koch sei die „vertrautere Bezugsperson.“ „Kein Wunder“, findet der Vater nach eineinhalb Jahren, die Simone nur bei der Mutter gelebt hat. Der 39-Jährige nimmt seine Brille ab, reibt sich die Augen. Er sieht müde aus. Dennoch – Kapitulieren kommt für ihn nicht in Frage. Dafür ist ihm seine Tochter zu wichtig. Sieben Aktenordner mit Dokumenten zum Prozess stehen in seinem Bücherregal – Titel: „Absurd 1-7.“ Viola Volland