Wider das graue Alter

■ Das graue Haar weckt sofort ein Bataillon von Gegenmaßnahmen: Auszupfen, tönen, färben / Erst die 40-Jährigen bekommen Mut zum selbstbewussten Grau / „Zaubercremes“ im Internet

Ihre Jugend endete prompt: Es war natürlich Herbst, 25 Jahre war sie alt, da entdeckte eine Freundin die ersten grauen Haare: Zwei aschfahle Strähnen mitten im satten schwarzen Haupthaar. Ein typischer Frauen-Problemfall, millionfach gehört, aber persönlich dann doch ein Schocker: „Irgendwie hatte man das Gefühl, jetzt beginnt das Alter, es fehlten nur noch die Falten“, stöhnte Karin. Ruckzuck waren die beiden verdächtig altmachenden Strähnen rausgerupft. Als ließe sich mit roher Gewalt wenigstens kurzfristig ein Aufschub vom Altern abtrotzen.

Das bewährte Anti-Grau-Prinzip tobt seit Jahren in und auf den Köpfen: Ausreißen bis frau nicht mehr ankommt gegen die bleicher werdenden Haarpracht. Dann folgt die Chemie: Strähnchen, Tönung, irgendwann Voll-Koloration. Bloß weg mit den ungewollten Alters-Markern, hieß die Devise: Für rund 70 Mark wird das Omagrau beim Friseur in jede gewünschte Farbe zurückverwandelt. Auf über tausend Internetseiten werden „Zaubercremes“ oder „Haarsprechstunden“ angepriesen. Und in Drogerien rufen meterweise Farbmittel (zwischen 12 und 15 Mark) zum Kampf gegen das grauhaarige Einerlei auf. Ein Kampf, jahrelang, jahrzehntelang, bis endlich jenseits der 60 aus dem einerleigrau so etwas wie wunderbares weiß geworden ist.

Inzwischen aber scheint so ein Grauschopf kurzfristig schick geworden zu sein. „Ich beobachte, dass Frauen um die 40 mehr Grau zulassen“, meint Stilberaterin Beate Droste in Bremen. Kaum ein Beratungsgespräch bei Frauen um die 40, ohne das Thema Grau: Färben oder nicht färben. Grau oder Farbe?

Seit zwei oder drei Jahren geht auch Hannelore Kamp im Salon der Dame mehr und mehr Naturgrau durch die Finger. Vor allem bei den Jüngeren. „Bei den 30- bis 50-Jährigen bleiben die Haare heute eher grau.“ Das hat nichts mit mangelnder Kohle für den Friseur zu tun, glaubt Kamp. Und es läuft vom linksalternativen Mileu inzwischen quer durch alle Schichten.

Einen Trend will die Stilberaterin Droste darin nicht unbedingt erkennen. Trotzdem: Die Frauen haben heute vielleicht mehr „Mut, Grau zuzulassen“. Kombiniert mit praller Farbe auf Lippen oder Brille jedenfalls können Frauen einiges aus dem drögen Grau rausholen, wenn sie keine Lust auf regelmäßige Chemiewäschen haben.

Für Bremens Haute Coiffeur Roman Kroupa sehen modische Haarschöpfe immer noch anders aus: Drei Viertel seiner Kundinnnen färben. „Heute ist die Schwelle des Älterwerdens anders als früher.“ Haarfarbe sei ein Jugend-Bekenntnis. Und eine Typfrage, meint Kroupa. Ein bisschen Grau auf dem Kopf sei eben nicht nur ein biss-chen Grau auf dem Kopf. Sondern könne einer – nehmen wir mal an – sportlichen Karrierefrau plötzlich das Image einer kuchenbackenden Omi verpassen. Also: färben.

Früher. Früher dagegen war wenigstens irgendwann Schluss mit dem Tönen, Kolorieren und Chemie aufs Haupthaar ätzen. Ab 60 vielleicht konnte frau die Waffen strecken und sich ungetrübt dem Grau, vielleicht sogar einem leuchtenden Weiß ergeben. Ein Ende vom Kampf gegen die verräterischen Ansätze ist heute dagegen nicht mehr abzusehen. Gerade die Älteren lassen die Haare färben – „um dadurch jünger auszusehen“, beobachtet Friseuse Kamp. Karins Mutter coloriert sich noch mit 72 die Haare. Da hat die Tochter noch viel vor sich. Dorothee Krumpipe