Prominente Hummerkrabben

Das „Festival de la Mode“ zeigt in den Galeries Lafayette „Das Beste der Mode von 1920–2000“: Anna Thalbach trägt ein blaues Tanzkleid, die Eisbären kommen in Schlittschuhen, und es gibt Karottenhosen und andere Kinderträume

Das Schönste an den Galeries Lafayette ist, dass es dort immer so leer ist. Man findet problemlos eine freie Umkleidekabine, und süße Verkäuferinnen mit französischem Akzent gibt es auch zuhauf. Die Galeries selbst jedoch sehen das aus verständlichen Gründen anders. Darum veranstalten sie einmal im Jahr, im Herbst, nach den Prêt-à-porter-Shows, für die sich in Berlin eh wenig Menschen interessieren, ein „Festival de la Mode“.

Dazu wird der Katzensteg in der Runde entlang des gefährlichen Glaskonstruktionskegels im Erdgeschoss aufgebaut, Klamotten, Schminke, Schmuck und Täschchen weggeräumt und eine Menge Security in unauffälligen Jacketts an strategisch günstigen Stellen postiert. Und dann laufen – vor „geladenem Publikum“, worauf die Galeries-Presse stolz hinweist – die Models im Kreis herum.

Beim fünften Festival ist das Kaufhaus besonders mutig: „Das Beste der Mode von 1920–2000“ bedeutete beim Auftakt am Donnerstag, dass die jungen, wilden Designer ihre Kollektionen zwischen ausgewählten Couture-Kleidern von 1920, 1930 etc. präsentieren. Und dass noch mehr Prominente auf dem Catwalk prominieren.

Die schnuckelige Anna Thalbach trägt ein schnuckeliges, blau glitzerndes Tanzkleid von Jaques Griffe, geschneidert 1950, mit swingendem Rock. Meret Becker steht das schwarze, taftige Ballkleid mit interessanten, mehrschichtigen Schlitzen von 1930 ebenfalls wie angegossen. Muriel Baumeister schlendert barfuß in Courrèges, die weißen Schuhe in der Hand, vorbei. Das rotlilaorange schillernde Glanzgewand, das Mme Grès 1970 zauberte, möchte man am liebsten sofort dem Riesenmodell ab- und um sich selbst wickeln.

Nur zwischendurch, da passiert immer Merkwürdiges. Da kommen plötzlich Joan Collins und Sue Ellen und Spandau Ballet und Boy George und tragen Schulterpolster und Mokassins und Karottenhosen – der von den Modezeitungen ausgerufene 80er-Jahre-Trend ist geradezu schaurig allgegenwärtig.

Aber vielleicht können Angelo Tarlazzi, Bernhard Wilhelm oder das Designerduo Keupr/Van Bentm sich dem Modedesignerdiktat auch einfach nicht entziehen. Wobei schon jeder eine eigene Art des 80er-Jahre-Verarbeitens hat: Die Letzteren haben Pappmaché reanimiert, haben ihren Models wie von modeinteressierten Kindergarteninsassen gepanschte Auswüchse aufgesetzt, eine der Damen trägt so eine Art grünen Bienenkorb an der Schulter, eine andere stolpert sympathischerweise andauernd über ihre dicke Papierschlange am Fuß. Viel kindliche Fantasie steckt auf jeden Fall drin.

Niels Klavers hat dicken, filzähnlichen Stoff in ungewöhnlichen Farben mehr drapiert als genäht: An manchen der Revers sind Blüten zusammengerafft, ein – tja, ist es Jacke? ist es Mantel? ist es Kleid? – also ein Gewand mit nur einem Röhrenärmel ist entstanden, der andere Arm baumelt unsichtbar herunter. Apart, sagt man da vermutlich wohlwollend.

Nachdem die bulligen Eisbären die langweilige Männermode, schwarze Anzüge auf Schlittschuhen, haha, präsentiert haben, kommt es zum eigentlichen Wunder des alljährlichen Lafayette-Modeabends: Die Gäste dürfen in den Keller. Da ist der Himmel. Da dürfen sie französischen Käse essen, bis sie nicht mehr „Mon dieu!“ sagen können. Hummer spachteln, bis der Ranzen kneift. Wein süppeln, bis die Schminke verläuft (auch die Models haben sich unter das Publikum gemischt). Und während rechts Patrick Wagner von Surrogat tief ins Glas schaut, links irgendwelche Fernsehfuzzis mit vollem Mund „Format“ sagen, hat man sich längst ans schöne Leben gewöhnt. Vive la France, vive Lafayette. JENNI ZYLKA

Weitere Termine: „la mode avantgarde“, Sa 11.30 Uhr, „la mode homme“, Mo 18.30 Uhr, Galeries Lafayette, Friedrichstraße/Französische Straße