Auf Gruppenticket

Last exit Berlin: Die Künstlerinnen vom „Goldrausch“-Projekt bilden sich unter Low-Budget-Bedingungen weiter

Meistens endet die Goldrausch-Weiterbildung für Künstlerinnen, die seit zehn Jahren angeboten wird, mit einer Ausstellung in Berlin. Diesmal tingelten die 14 Künstlerinnen (und drei Babys) allerdings durch Nürnberg, Düsseldorf und Lüneburg. Auf sechshundert Quadratmetern Stellfläche begann ihre Tour, auf zehn endet sie am Sonntag in einem Messestand auf dem art forum. Die Kunst des Komprimierens und der knappen Vermittlung haben die Teilnehmerinnen dabei gleich mehrfach geprobt: Aufbau, Eröffnung, Künstlerinnengespräch, Abbau, so ging es im Dreitagerhythmus.

Drei Wochen mit Regionalbahnen, Gruppenticket, Zimmer privat, in billigen Pensionen und Gästehäusern, das strengt an. Vor allem durften die Künstlerinnen nicht mehr zeigen wollen, als sie schleppen konnten. Fotos und Leinwände wurden gerollt, Installationen aus Transparentpapier vorbereitet: Damit hat Renate Wolff, die sich in ihren Installationen auf die Architektur bezieht, im Kunstbunker Nürnberg große konzentrische Kreise über die fensterlosen Wände getrieben, die in der kleinen „halle für kunst“ in Lüneburg geschrumpft waren zu kleinen Blasen, die überall zwischen den Werken der anderen perlten.

Stahlträger, Brücken, Stromleitungen und Mautstationen gehören zu den Motiven der Malerin Ulrike Dornis. Es sind Chiffren einer industrialisierten Landschaft, die meist im Vorbeifahren wahrgenommen wird. Für die Goldrausch-Tour malte sie die Gerüste direkt auf die Wände, der Höhe der Räume angepasst.

Dreimal baute Catrin Otto, die fotografisch mit einer Verschiebung der Perspektive arbeitet, das Verhältnis zwischen Realraum und Bildraum um. „Dabei habe ich über das Funktionieren der eigenen Arbeit viel mehr erfahren, als im Atelier möglich ist“, berichtet Otto.

Vor allem lernten die Künstlerinnen, als Gruppe aufzutreten. „Wir mussten mehr als sonst zu einer Band werden und miteinander improvisieren, statt zu konkurrieren“, erzählt die Projektleiterin Annemarie Freybourg. Der Arbeit der anderen zu trauen und sich nicht abzugrenzen, das war der Hauptgewinn der Reise. Als Gruppe erfuhren sie auch das Image von Kunst aus Berlin: In Lüneburg bestand daran ein lebhafteres Interesse als in der Düsseldorfer Szene. Sich in solch wechselnden Milieus zu behaupten, halfen die Künstlerinnengespräche.

Einige Künstlerinnen bezogen die Ortswechsel auch thematisch ein. Susanne Bosch nutzte die Stationen für Umfragen und die Vorstellung ihrer „Restpfennigaktion“: Bis zur Ablösung der alten Währung 2002 sammelt sie Pfennige und Vorschläge, was mit diesem Berg aus Kupfer geschehen könnte.

Sibylle Hofter und Annette Munk widmeten sich den „inneren und äußeren Sehenswürdigkeiten“: Sie bedruckten eigens angefertigte Reisekleider mit anatomischen Darstellungen des Körperinnern und fotografierten sich darin jeweils in stadtbildprägenden Situationen.

Den Schlusspunkt bildet ein Stand von Goldrausch auf dem art forum, der stolz die Namen der bisher Beteiligten anzeigt: Über 160 Künstlerinnen haben die Weiterbildung absolviert, die jährlichen Katalogpakete nehmen inzwischen ein eigenes Regal ein. Mindestens elf ehemalige Teilnehmerinnen sind diesmal von Galerien auf der Messe vertreten, andere waren in früheren Jahren dabei. Berlins Ruf als junge Kunststadt haben sie jedenfalls mitgetragen.

KATRIN BETTINA MÜLLER