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: Frust und Freude

Ausgegangen

Wer sich wie jeder normale Mensch null für Sport interessiert, dem verlangen diese Wochen einiges ab: Männerhockey, Boulevard Olympia, endloses Didgeridoogeblase . . .

Manchmal aber lassen sich auch interessante Dinge entdecken. Gehen zum Beispiel, das kann man nun mit Fug und Recht behaupten, ist eine der absurdesten Sportarten und wurde mit Sicherheit vom Ministry for silly walks and dramatic stuff erfunden. Beim Gehen kommt es darauf an, mit steifen Beinen, wankendem Becken und rudernden Armen so wenig wie möglich von der Stelle zu kommen. So genannte Gehrichter laufen rückwärts mit roten Kellen vor den Athleten her, und falls jemand aus Versehen läuft, was eigentlich immer der Fall ist, wird er disqualifiziert und bekommt einen formidablen Nervenzusammenbruch.

Außerdem wird Sydney 2000 für die Deutschen als Olympia der beleidigten Leberwürste in die Geschichte eingehen. Franzi weinte dicke Tränen ins Schwimmbecken, weil die anderen so gemein waren zu ihr. Dann war Zahnpasta-Baumann tödlich beleidigt, weil er nicht mitmachen durfte, und wollte nicht mal den geschenkten Bumerang aus der ARD-Clique annehmen. Skandalös sogar: Die deutschen Dressurmädels haben sich überhaupt nicht richtig über ihr Gold gefreut und ihre Medaillen so kühl wie geschäftsmäßig eingesteckt. Die Springreiterequipe der Männer gab sich wenigstens Mühe um Siegesemotionen, dafür standen die Pferde betont lustlos und unbeteiligt, so, als sinnierten sie somnambul über die Sonderration Haferkleie in der Olympiabox.

Besonders schön lässt sich geschlechtsspezifisches Verhalten im Freuen feststellen. Männer verzerren nach einem Sieg gerne das Gesicht zu einer unschönen Grimasse und recken den Arm mit geballter Faust brutal nach oben. Dann kneifen sie aus unkontrollierter Lust am befriedigten Ehrgeiz die Unterlippe ein und beißen auf ihr herum. Fußballerinnen dagegen umarmen sich mütterlich-freundschaftlich und bilden einen großen Anfasskreis. Astrid Kumbernuss, die von Berufs wegen Kugeln stößt, applaudierte sich selbst zur bronzenen Medaille, während der Gegner von Tennisschnösel Haas, böse um die Goldplakette gebracht, seinen Schläger fies ins Publikum warf.

Zugegeben, Olympiasportler ist ein harter Beruf. Da kann es zu Frustrationen kommen, schließlich übt man vier Jahre lang für einen – siehe die Hundertmeterläufer – nur 9,9 Sekunden langen Auftritt. Selbst schuld. Sie hätten ja auch was anderes werden können. CHRISTIANE RÖSINGER