taz-olympiakrimi: im schatten der ringe
: Kapitel 14: In dem die Aufklärung naht

Dem Mastermind auf der Spur

Was bisher geschah: Chefermittler Wayne Bruce sieht Licht im Falle des ermordeten IOC-Mitgliedes Thomas Kiwabaki und seines Bruders Samuel. In einem Koffer, der sich im Besitz des ebenfalls ins Jenseits beförderten Killers befand, liegen Fotos, die IOC-Vize Gosper in verdächtiger Winterlandschaft zeigen. Bruce greift zum Telefon ...

... kaum dass es klingelte. Es war seine Mutter, die fragte, ob die Olympischen Spiele schon zu Ende wären und sie wieder auf die Straße gehen könnte. „Zwei Tage dauern sie noch, aber du kannst trotzdem auf die Straße gehen“, erklärte der Hauptkommissar mit schlechtem Gewissen. Kein einziges Mal hatte er seine Mutter während der Spiele im Seniorenheim besucht und keine Ahnung gehabt, dass sie auf den Vorabhype der Olympia-Organisatoren reingefallen war und glaubte, sie würde, sobald sie einen Fuß vor die Tür setzte, sofort von Horden wild gewordener Olympiatouristen aus Ländern mit unaussprechlichen Namen überrannt. Auch andere waren der Panikmache zum Opfer gefallen. Die Parkhausbesitzer in der City klagten, dass niemand mehr mit dem Auto in die Stadt komme, weil alle annahmen, Downtown sei komplett gesperrt. Bruce war sicher, dass die autoverrückten Sydneysider nach Ende der Spiele blitzschnell alles nachholen würden, was sie motorenmäßig versäumt hatten.

Auch der Verdacht seiner Mutter, dass Olympia schon zu Ende sei, war nicht weit hergeholt. Obgleich noch etliche Wettkämpfe auf dem Programm standen, war in den Medien nur noch von der Schlussfeier die Rede, so als könnte man es nach sieben Jahren Vorfreude und bangen Ahnungen jetzt gar nicht erwarten, bis alles vorbei war. Dazu passte, dass Ric Birch, der gefeierte Stratege von Eröffnungs- und Abschlusszeremonie erklärt hatte, er wolle nichts wie weg von Down under, und bei der Gelegenheit gleich Olympiaminister Michael Knight herzhaft beleidigt hatte. Es gebe etwas Abstoßendes an Australien und den Australiern, stieß er einen Dolch in den prallen Ballon auto-australischer Lobhudelei, und dieses Abstoßende manifestiere sich in der Person von Mr. Knight. Dabei war der Olympiaminister während der Spiele fast so selten zu sehen gewesen wie Kevan Gosper, bei dem die Zurückhaltung allerdings einen einfachen Grund hatte: Er war der einzige Olympier, der immer noch inbrünstig ausgebuht wurde, wenn er irgendwo auftauchte.

Der Gedanke an Gosper brachte Wayne Bruce wieder die Realität seines Kriminalistendaseins zu Bewusstsein. „Wong“, rief er quer durch den Raum, „finden Sie auf der Stelle raus, ob Thomas Kiwabaki mal in Salt Lake City war.“ John Wong war der Spezialist für Internetrecherche in der Gruppe und verfügte über einen unerschöpflichen Fundus an Bookmarks, Suchmaschinen und geheimen Informationsquellen. Keine halbe Stunde später war er fündig geworden. Kiwabaki war zwar nicht in den Bestechungsskandal verwickelt, aber er hatte Utah besucht. Bruce rieb sich die Hände. „Wir können also davon ausgehen“, fasste er den Stand der Dinge zusammen, „dass Thomas Kiwabaki die Fotos von Gosper in Utah gemacht hat. Jemand hat davon Wind bekommen und wollte sie ihm abschwatzen, um Gosper, der ja angeblich nie in Salt Lake City war, als Kandidaten für die IOC-Präsidentschaft zu desavouieren. Und dem Tipp unseres Freundes Rafer Johnson zufolge könnte das die CIA gewesen sein. Die USA klagen seit Jahren, dass sie über Fernsehverträge und Sponsoren das IOC praktisch finanzieren und dennoch miserabel behandelt werden. Sie wollen einen wohlmeinenden Nachfolger für Samaranch installieren. Und das trifft auf Gosper genauso wenig zu wie auf Dick Pound.“ Befriedigt lehnte sich Bruce zurück. Kriminalassistentin Catherine Wade, die seit Tagen eigentlich nur noch ihre Rolle als Tanzmaid bei der olympischen Schlusszeremonie im Kopf hatte, besann sich unversehens auf ihren Beruf und spann den Faden weiter: „Als der Botswaner die Fotos nicht rausrücken wollte, wurde er umgebracht, ebenso sein Bruder, nachdem er den Koffer weitergegeben hatte, weil er zu viel wusste. Und schließlich der Killer Mulroney, der plötzlich selbst Kapital aus dem Besitz der Fotos schlagen wollte“ – „Exakt“, sagte Bruce, „fehlt uns bloß noch Mister X, Mörder von Mulroney und Mastermind der ganzen Sache.“

In diesem Moment klopfte es bedrohlich. MATTI LIESKE

Fortsetzung folgt