Die Skepsis bleibt

Serbiens Nachbarn begrüßen die Entwicklung in Belgrad, befürchten jedoch eine neue Welle des Nationalismus

SARAJEVO taz ■ Fast ein wenig ungläubig lauschen die Menschen in Sarajevo den Nachrichten aus Belgrad. Der mögliche Sturz von Slobodan Milošević würde viele Muslime und Kroaten freuen. Schließlich wird der jugoslawische Präsident für den Krieg in Bosnien und Herzegowina und die Belagerung der Stadt verantwortlich gemacht. Doch die Menschen bleiben misstrauisch. „Wir wissen noch nicht, was Koštunica wirklich will.“ Auch ein demokratischer serbischer Nationalist könnte Unruhe nach Bosnien bringen, ist eine gängige Meinung. Aufgrund dieser Unsicherheit hält sich auch das offizielle Sarajevo zurück.

Anders dagegen die Politiker des serbischen Teilstaats in Bosnien, der Republika Srpska. Der geschäftsführende Premierminister, Milorad Dodik, begrüßte den Wahlsieg der Opposition, erklärte Koštunica zum Wahlsieger und rief die Opposition zu friedlicher Machtübernahme auf. Sogar die Führung der Milošević-nahen Sozialistischen Partei in Banja Luka ging auf Distanz zu dem jugoslawischen Präsidenten. Die serbischen Nationalisten sind ohnehin verbittert, weil Milošević sie in den letzten Jahren nicht mehr so nachhaltig unterstützt wie während des Krieges. Für viele serbische Nationalisten in Bosnien und Herzegowina ist Milošević sogar ein „Verräter“ an der nationalen Sache.

Die kroatische Öffentlichkeit hingegen ist derzeit mehr mit den eigenen Skandalen beschäftigt als mit der Lage in Belgrad. Nachdem 12 Generäle am Donnerstag der sozialdemokratischen Regierung und Präsident Mesić wegen deren Bereitschaft, mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Hag zusammenzuarbeiten, in einem offenen Brief mit Anschlägen gedroht haben, wird die Diskussion davon beherrscht. In Bezug auf Serbien glaubt Mesić nicht an einen Rücktritt Milošević’, denkt aber, Milošević werde sich in den nächsten Monaten auf Serbien konzentrieren und sogar die montenegrinische Führung ermutigen, aus dem gemeinsamen Staatsverband auszusteigen, um die Macht in Serbien zu erhalten. Am Beispiel Serbiens könne man sehen, dass wirtschaftliche Sanktionen Erfolg haben können, fügte er hinzu.

Geteilter Meinung sind die Kosovo-Albaner über die Entwicklung in Belgrad. Da sich der Wahlsieger Vojislav Koštunica im Kosovo mit einer Kalaschnikow zusammen mit serbischen Paramilitärs habe fotografieren lassen und sich weigere, mit Den Haag zusammenzuarbeiten, sei von ihm nichts Gutes zu erwarten, ist häufig zu hören. Die Parteien äußern sich vorsichtiger. Zwar fürchtet der Sprecher der Nachfolgepartei der UÇK, Jakup Krasniqi, die internationale Gemeinschaft könnte einer neuen Regierung in Serbien auf Kosten der Albaner entgegenkommen, doch er sagt auch: „Wir würden gern eine demokratische Kraft in Serbien siegen sehen.“ Die Allianz für die Zukunft des Kosovo erklärte: „Ein Kandidat, mit dem man in einen Dialog treten kann, ist gut für den Westen, die Menschen im Kosovo und in anderen Teilen der Region.“

Skeptisch bleibt Ibrahim Rugovas Demokratische Liga des Kosovo. Das Verhältnis zum Kosovo sei die Nagelprobe für die serbische Demokratie. Die Liberalen des ehmaligen UÇK-Kommandeurs Naim Maluku glauben sogar, ein Sieg der Opposition würde die nationalistischen Auseinandersetzungen wieder anheizen. ERICH RATHFELDER