taz-olympiakrimi: im schatten der ringe
: Kapitel 15: In dem das Komplott auffliegt

Der Mörder ist . . .

Was bisher geschah: Hauptkommissar Wayne Bruce, Chef der Sondereinheit olympische Verbrechen, hat herausgefunden, dass das botswanische IOC-Mitglied Thomas Kiwabaki und sein Bruder Samuel ermordet wurden, weil sie belastende Fotos des australischen IOC-Vize Kevan Gosper besaßen. Der Killer ist auch tot, und hinter der Sache scheint der CIA zu stecken. Doch wer ist Mister X, der die ganze Sache eingefädelt hat?

Es klopft. Durch die Tür trat Superintendent Brad Samuelson. Das war ungewöhnlich. Erstens, dass der alte Stoffel geklopft hatte, bevor er herein kam, zweitens, dass er überhaupt kam. Samuelson sah unwohl aus, wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn und sagte: „Ich habe gerade mit dem Innenminister telefoniert. Ihr könnt nach Hause gehen und die letzten Stunden Olympia genießen. Der Fall Kiwabaki ist als geklärt zu betrachten.“ Nicht einmal Kriminalassistentin Catherine Wade, die eine tragende Rolle als Statistin bei der Schlussfeier bekleidete, schaute begeistert. „Geklärt?“, fragte Bruce fassungslos. „Nun, wir haben den Mörder, oder?“, sagte der Superintendent. „Aber nicht den Mörder des Mörders und schon gar nicht die Auftraggeber“, entgegnete Bruce. „Er war ein Einzeltäter, und wer sagt, dass es Mord war?“ – „Was dann?“ – „Selbstmord. Er hatte Gewissensbisse.“ – „Mulroney? Gewissensbisse?“ – „Seien Sie nicht kleinlich.“ – „Okay. Dann hat er sich also im Zoo eine Überdosis Epo injiziert und sein eigene Leiche ins Tigergehege geworfen.“ – „Er ist erst runtergesprungen und hat dann injiziert.“ – “Und die Spritze hat der Tiger gefressen?“ – „Die ist im Wassergraben.“ – „Da ist kein Wassergraben.“ – „Ach, hören Sie endlich auf. Der Fall ist abgeschlossen, basta.“ Samuelson wandte sich zum Gehen. „Und noch was. Wenn von den Fotos irgendwas an die Öffentlichkeit dringt, rollen Köpfe.“

Bruce musste sich fügen, doch die Sache ließ ihm keine Ruhe. Er trank darüber. Als er am nächsten Vormittag ziemlich verkatert aufwachte, stand sein Entschluss fest. Er würde nie wieder Bier, Wein und Schnaps durcheinander trinken und er würde noch einmal mit Kevan Gosper über die Fotos reden, die ihn mit Salt Lake Citys Bewerbungschef in Utah zeigten, wo er angeblich nie gewesen war. Am Mittag erreichte er endlich Gospers Sekretärin. Die war bass erstaunt. „Aber er trifft sich doch schon mit der Polizei.“ Jetzt war Bruce erstaunt. „Wo?“, fragte er, während ein bizarrer Verdacht in ihm keimte. „In einem Lokal in East Balmain. Ich soll ihm nachher einen Wagen hin schicken, der ihn zur Schlussfeier bringt.“ Wayne Bruce beglückwünschte sich, dass er vor einem Jahr in ein kleines Häuschen in Balmain gezogen war. Er kannte das Restaurant und machte sich sofort auf den Weg, nachdem er Verstärkung angefordert hatte. „Ist Kevan Gosper hier?“, fragte er den Barkeeper.“ Dieser Schmierlapp? Er ist gerade raus, mit einem Typen, der wie ein Bulle aussah.“

Der Ausgang führte auf die Lieutenant Nicholson Avenue, eine winzige, vereinsamte Gasse. An einen Zaun gedrängt sah Bruce zwei Gestalten, die miteinander rangelten.“ Lass die Spritze fallen, Persini“, rief er, und der Kommissar gehorchte zu seiner Überraschung ohne Zögern. „Gute Arbeit“, keuchte Gosper, klopfte Bruce jovial auf die Schulter und erklärte: „Ich muss los, sonst komme ich zu spät zur Abschlussfeier.“ Dann verschwand er, ohne den CIA-Agenten David Persini eines Blickes zu würdigen.

Als er wieder zu Hause war, beschloss Bruce, dass er den Abend im Gegensatz zu allen anderen Bürgern der Stadt daheim verbringen würde. Bevor er sich vor den Fernseher setzte, um die Abschlusszeremonie zu betrachten, holte er aber noch ein Stück Papier aus seinem Jackett. Es war ein Foto, das zwei Männer in Utah zeigte. Er nahm „The Great Olympic Swindle“ von Andrew Jennings aus dem Bücherregal und legte das Bilddokument hinein. Vielleicht wurde Kevan Gosper ja wirklich IOC-Präsident, und dann könnte es sicher noch von Nutzen sein. MATTI LIESKE

ENDE