Da strahlt der Baum

Der Lehrer Harald Vieth hat einen Stadtführer über Hamburger Bäume geschrieben  ■ Von Gernot Knödler

Die große Trauerbuche im Garten der Schönen Aussicht 28 ist umgezogen. Vor acht Jahren wurde der Baum mit seinem 2000 Kubikmeter großen Wurzelballen ausgegraben. Hydraulische Pressen drückten Bohlen unter das Wurzelwerk. Dann wurde der Baum auf Gleisen im Zeitlupentempo 40 Meter versetzt. Die Aktion kostete 300.000 Mark und sollte Platz für den Neubau schaffen, der heute auf dem Gelände steht.

Diese und ähnliche Geschichten finden sich in Harald Vieths neuem Buch über die Hamburger Bäume. Vor fünf Jahren hat der Lehrer aus Harvestehude sein erstes Buch über das Grün veröffentlicht, auf das die HamburgerInnen so stolz sind. Jetzt stellt der 63-Jährige neue Rundgänge vor, dazu die Reaktionen auf den ersten Band, die Lieblingsbäume der LeserInnen und besonders tapfere Bäume.

Vieth pflegt ein mystisches Verhältnis zum Objekt seines Interesses. Die Frage „Können Sie mit Bäumen sprechen?“ muss er „leider verneinen“. Er halte es „allerdings für möglich, dass (noch!) sensiblere Naturen als ich mit Bäumen sprechen können“, schreibt er seinen Lesern. Der sprichwörtliche „Grüne Daumen“ gilt ihm dafür ebenso als Beleg wie die „plötzliche Gesundung“ einer Rosskastanie in der Isestraße. „Diese wundersame Genesung trat allerdings erst ein, nachdem sich eine Gruppe couragierter Menschen – unter ihnen einige Prominente – massiv für den Erhalt der schönen Kastanie eingesetzt hatte“, glaubt Vieth.

Tapfere Bäume sind für ihn solche, die Schilder und Zäune fressen, wie die Platane an der Rothenbaumchaussee Ecke Johnsallee, oder solche, die mitten auf einem Gehsteig mehr als hundert Jahre alt geworden sind, wie die Rosskastanie vor der Ohlsdorfer Straße 17. Sie werden nur noch übertroffen von den toten Bäumen, wie die zum Totempfahl geschnitzte 600 Jahre alte Rot-Zeder vor dem Museum für Völkerkunde oder dem Hamburg-Baum am Eingang zu den Wallanlagen beim Millerntorplatz. Doch Vieths Verhältnis zu den Bäumen ist keineswegs naiv. Er ist sich bewusst, dass das Engagement für jeden einzelnen Baum zwar wichtig ist, dass er aber vergeblich sein wird, wenn die Menschheit weiter Treibhausgase und Atommüll produziert. Gleichwohl hat er einfach Freude daran, schöne und seltene Bäume vorzustellen oder solche, mit denen sich ein Stück Geschichte verbindet.

So ist Vieths Geschichte von der wandernden Trauerbuche an der Schönen Aussicht noch längst nicht zuende: Bei ihrem Umzug wurden die Fundamente einer Wirtschaftswunder-Villa freigelegt. Sie gehörte Eduard Rhein, dem Mann, der die Zeitschrift Hörzu groß machte und die Bücher über den Igel „Mecki“ schrieb.

Hamburger Bäume 2000, Geschichten von Bäumen und der Hansestadt. Erhältlich bei Harald Vieth, Hallerstraße 8, 20 146 Hamburg, Telefon 45 21 09.