Der Schattenmann

Roland Claus hat es nicht leicht als Nachfolger des PDS-Übervaters

Der Mann wusste, worauf er sich einließ. „Es wäre leichter, einer Pfeife im Amt zu folgen“, sagte Roland Claus, kurz bevor er am Montag zum neuen Fraktionsvorsitzenden der PDS im Bundestag gewählt wurde, „aber es wäre auch nicht so reizvoll.“

Claus muss sehr selbstbewusst sein oder über stoische Ruhe verfügen. Denn als er nach seiner Wahl vor die Presse tritt, interessieren sich die Journalisten nicht für sein gutes Ergebnis (31 von 37 Stimmen). Sie interessieren sich nicht für seine Erfolge als PDS-Chef in Sachsen-Anhalt (erste Zusammenarbeit mit der SPD auf Landesebene). Und sie fragen nicht nach, als er seine hoch gesteckten Ziele als Fraktionschef formuliert (eine Mitte-links-Koalition „in nicht allzu ferner Zukunft“).

Es kommt so, wie es kommen musste: „Noch mal zurück zu Herrn Gysi“, „Sollte Gysi als Regierender Bürgermeister in Berlin kandidieren?“ oder „Wird Gregor Gysi jetzt der heimliche Fraktionschef?“

Claus ist ein zurückhaltender, freundlicher Mensch. Die penetrante Fragerei nach seinem Vorgänger lässt er geduldig über sich ergehen. „Es spricht nicht allzu viel dafür, dass sich Gregor Gysi wie Helmut Kohl verhalten wird“, glaubt er. Tapfer betont Claus die „Chancen der Zäsur“, die sich nun ergeben, die „Lust am Neuanfang“ und die „breite Unterstützung“, die er verspüre.

Doch leicht machen es ihm die Genossen nicht. Noch-Parteichef Lothar Bisky verhehlt seine Trauer über Gysis Abgang nicht. Ohne „die linke Stimme des Ostens“ an der Spitze sei die PDS jetzt „eine andere Partei“. Und: „Gysis Talent können wir nicht ersetzen.“ Wenig Aufmunterung für den Neuen. Was Gysi selbst sagt, muss für Claus fast wie eine Drohung klingen. Er freue sich, sagt Gysi, dass er nun „ohne die Schere im Kopf, die man als Vorsitzender automatisch hat“, seine Positionen „freier vertreten“ kann. Claus weiß: Gysi kann sich sein Forum aussuchen.

Der Neue muss schneller sein als sein Schatten. Bisher hat Claus als Parlamentarischer Geschäftsführer eher im Stillen gewirkt. Nur Insidern war bekannt, dass er Papiere schrieb, in denen er eine weitere Öffnung der Partei forderte. Nun werden auch seine „nicht öffentlichen Kooperationsbeziehungen“ zu SPD-Kollegen im Bundestag zum Politikum. Und es gibt einige in der PDS-Fraktion, die diese Annäherung mit Argwohn verfolgen.

Claus glaubt, dass er die nötige Integrationskraft hat. Das habe er in Sachsen-Anhalt bewiesen. Doch was nun kommt, wird ungleich schwerer. Die Fraktion ist kein kleiner Landesverband, sondern, wie Claus selbst sagt, vor allem „eine Art Erbengemeinschaft“ Gysis. LUKAS WALLRAFF