ROMANO PRODI VERLANGT MEHR KOMPETENZEN FÜR DIE EU-KOMMISSION
: Endlich eine politische Rede

Romano Prodi hat eine Rede vor dem Europaparlament gehalten. Zählt man die inhaltsleeren Nettigkeiten nicht, die er in den vierzehn Monaten seiner Amtszeit bisher von sich gab, war es seine erste. Er hat sein Recht auf hundert Tage Praxisschock also weit überzogen. Doch: Besser spät als nie.

Bis gestern sah es so aus, als würden die Staatschefs die so genannte Reform von Nizza allein aushandeln. Das altbekannte Gerangel um Macht und Einfluss schien wie gewohnt weiterzugehen. Keiner wollte freiwillig Kompetenzen abtreten, obwohl eine handlungsfähige Union der einzige Weg ist, eine nach Osten erweiterte EU zu schaffen.

Gerade noch rechtzeitig hat sich Prodi in die Diskussion eingeschaltet. Auch ihm geht es um Macht und Einfluss. Aber er hat für seine Forderung, die Rolle der Kommission im Triumvirat mit Rat und Parlament zu stärken, sehr gute Argumente.

Abschreckende Beispiele, was die Geheimdiplomatie des Rates anrichten kann, gibt es gerade aus Prodis Amtszeit genug. Neu ist, dass der Kommissionschef bereit ist, sie zu benennen. Die Österreich-Episode zum Beispiel, zu der ihm bislang kein Kommentar zu entlocken war: Gestern erinnerte er daran, dass es nicht dem Geist Europas entspreche, wenn die EU-Minister im Alleingang die Demokratie zu retten versuchten.

Oder das Mineralöldebakel: Anstelle des zerstrittenen Ecofin-Rates, dessen Vorsitz alle sechs Monate wechselt, brauche die Europäischen Zentralbank endlich einen verlässlichen wirtschaftspolitischen Partner – die Kommission nämlich. Xavier Solana schließlich, der vom Rat eingesetzte außenpolitische Vertreter der Union arbeite zwar bewundernswert – institutionell allerdings sei er eine Übergangslösung. Nach der Logik des Systems gehöre die Außenpolitik in die EU-Kommission.

Vielleicht kriegen die Regierungschefs unerwartet ja doch noch, was sie sich bei der Wahl Prodis angeblich so dringend gewünscht haben: einen politisch starken Kommissionspräsidenten.

DANIELA WEINGÄRTNER