In der Hierarchie ganz unten

Charlotte Brinkmann schreibt als freie Autorin Reiseführer. Sie ist hoch motiviert, mobil und qualifiziert – und lebt schon seit Jahren am Rande des Existenzminimums

BERLIN taz ■ Ein Traumberuf: Reiseschriftsteller! In der Welt herumgondeln, darüber schreiben und dann groß als Autor auf Buchtiteln herauskommen. Doch das Leben ist immer anders als die Vorstellung, manchmal sogar ziemlich anders. „Als Autor“, sagt Charlotte Brinkmann*, „stehst du in der Hierarchie ganz unten, noch unter der Verlagsputzfrau.“

Denn die Putzfrau bekommt 15 Mark die Stunde. Für Brinkmann wäre das schon ein stattlicher Stundenlohn. Die 38-jährige Berlinerin hat ihren Magister in Germanistik und Italienisch gemacht und schreibt nun seit fünf Jahren Reiseführer. 17 Bücher hat sie geschrieben, über Italien, Ungarn, Spanien, Deutschland, Berlin. Mobil, hoch motiviert und qualifiziert ist Brinkmann und mit ihrer 60-Stunden-Woche ein gutes Beispiel für die „neuen Selbstständigen“ – in mehrfacher Hinsicht.

Der Bildband über Italien kostete drei Monate Arbeitszeit – und brachte ganze 4.500 Mark Honorar ein. Brutto. Für manche Titel bekommt sie einen Anteil am Verkauf von 1,80 Mark pro Buch – bei einer Auflage von nur ein paar tausend lässt sich der Verdienst leicht ausrechnen. Wenn Brinkmann nicht noch als freiberufliche Korrektorin und Lektorin hinzuverdienen würde, käme sie „nicht über die Runden“. So aber hat sie etwa 1.500 Mark netto zur Verfügung, über die Künstlersozialkasse ist die Alleinstehende krankenversichert.

Als ihr Einkommen einmal noch weiter absackte, wollte sie Wohngeld beantragen. Doch dazu, so wurde sie von den Behörden belehrt, müsse sie erst einen Antrag auf Sozialhilfe stellen. Über die Bürokratie kann Brinckmann nur müde lächeln: „Das ist doch absurd.“

Inzwischen schreiben immer mehr Laien Reiseführer, für wenig Geld. Die Konkurrenz von unten ist billig und kommt den Verlagen gerade recht. „Die Verlage nutzen die Eitelkeit der Leute aus, ihren Namen auf einem Buchtitel sehen zu wollen.“ Profiautoren wie Brinkmann haben das Nachsehen.

Das Schlimmste aber ist noch nicht mal die schlechte Bezahlung, die mit dem Überangebot einhergeht. „Die Demütigung ist das größte Problem.“ Denn Brinkmann muss ihre Arbeit an Lektoren liefern, die oftmals keine Ahnung vom Thema haben. „Die schreiben Sachen in deine Texte, da stehen dir die Haare zu Berge.“

Aus dem renommierten griechischen Hotelier wird dann ein „Kneipenwirt“. Brinkmann muss die Folgen beim nächstem Besuch vor Ort ausbaden. Bei der Bebilderung wurden auch schon mal die Deutschen Alpen mit Sardinien verwechselt.

Deswegen will Brinkmann jetzt auch aufhören mit der Reiseschriftstellerei. Mit Honorarjobs als Korrektorin und Lektorin wird sie sich über Wasser halten – und einen Roman schreiben. „Ich bin ein Vorreiter für eine Existenzform, künftig werden viele Leute so leben.“ Sie glaubt trotz allem fest daran, „dass ich später keine Sozialomi werde“. Und wenn doch? „Dann gibt es bestimmt ganz viele davon.“ BD

*Name geändert