Vereinsheim oder Fegefeuer?

■ Pianist Bill Carrothers macht den Auftakt: Der Jazzclub Birdland feiert im Oktober sein 15jähriges Bestehen

„Wo gehts hier nach Vogelheim?“ trällern, nach Joe Zawinuls unverwüstlicher Melodie, Wiglaf Droste und das Spardosenterzett auf ihrer neuen CD. Aber Birdland ist überall – jedes einigermaßen anständige Städtchen nennt einen Jazzclub dieses Namens sein Eigen. Die Hamburger Ausgabe feiert den ganzen Oktober hindurch ihr 15-jähriges Bestehen. Im dichtgedrängten Who-is-who des Programms soll für ein Mal der unermüdliche Rolf Petroll, verantwortlicher künstlerischer Leiter, an erster Stelle genannt sein.

Schon diesen Freitag gastiert der erste klingende Name des Jubiläumsmonats: der junge US-amerikanische Pianist Bill Carrothers, Rising Star mit beeindruckenden Credits. Er hat keine Angst vor Monk, macht sich gern über selten gespielte Standards her, bedient sich aber vor allem bei sich selbst. Doch bekanntlich entscheidet sich erst im Fegefeuer von Clubs wie dem Birdland, ob aus solchen Talenten noch mehr wird. Vielleicht spielt Carrothers in einigen Jahren bei den ganz Großen mit – etwa bei John Scofield, der ihm vorerst noch am selben Abend in der Musikhalle Konkurrenz macht. Mit Scofields langjährigem Schlagzeuger Bill Stewart hat Carrothers jüngst eine bemerkenswerte Duo-Platte aufgenommen, auf der frappierend viel mit wenigen Mitteln passiert. Seinen Hamburg-Auftritt wird der behutsam-erfinderische Pianist im Trio mit dem Bassisten Nicolas Thys und dem Schlagzeuger Dre Pallemaerts bestreiten.

Auch ein Ausblick auf die weiteren Birdland-Feierlichkeiten lohnt: Am Samstag zelebrieren der amerikanische Tenorsaxofonist Gary Scott und seine Vorzeige-Gastgeber Enno Dugnus (Klavier), Thomas Biller (Bass) und Wolff Reichert (Schlagzeug) originalgereue Four-Brothers-Nostalgie. Munter wie ein Ping-Pong von Modernem am Freitag und Mainstream-Jazz am Samstag geht es dann weiter: mit dem jungen deutsch-amerikanischen Vierer Mays, Wind, Wilson und Weniger (13.10.), der an den guten alten Swing des Dan Barrett Septet (14.10.) abgibt. Und zum Ende des Jubiläumsmonats kommen Klaus Ignatzek mit standesgemäß prominent besetztem Quintett inkl. der beiden Trompeter Claudio Roditi und Gustavo Bergalli (27.10.) und tags darauf Wolfgang Schlüters New Generation.

Man sieht, das Birdland trumpft selbstbewusst auf, strapaziert aber auch beim Feiern den Etat nicht über Gebühr. Mit Großspurigkeit hatte der sympathische Club mit dem Vereinsheim-Charme noch nie was im Sinn. Andreas Schäfler

Bill Carrothers: Freitag, 21 Uhr, Birdland. Monatsprogramm unter Tel. 405277