Museum sucht Rosinenbomber

Das Deutsche Technikmuseum eröffnet im kommenden Jahr seinen Erweiterungsbau für die Luft- und Raumfahrtabteilung. Doch das Land hat die Kosten für Ausstattung und Personal in Millionenhöhe nicht berücksichtigt. Jetzt droht die Pleite

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die schwebende Lage des Fliegers ist zweideutig. Was eben noch zum Aufschwung führen kann, könnte im nächsten Augenblick den Absturz einläuten. Mit dem Ausstellungstück, mit dem das Deutsche Technikmuseum für sich und seine Exponate wirbt, verhält es sich ebenso. So symbolisiert der C-47-Rosinenbomber den Start für die große Luft- und Raumfahrtsammlung des Museums, die Ende 2001 oder Anfang 2002 in neuen Räumen präsentiert werden soll. Zugleich versinnlicht die C-47 über dem Dach des Erweiterungsbaus am Landwehrkanal die unsichere Lage und Zukunft des Technikmuseums. Denn dem derzeit größten Museumsneubau in der Stadt fehlen die Mittel für seine Ausstattung – und ein Geld spendender Rosinenbomber ist nicht in Sicht.

Prekär ist die Situation des gesamten Museums. Zwar sind im Etat des Kultursenators für das Jahr 2001 rund 3,9 Millionen Mark und für 2002 gar 6,5 Millionen Mark an Zuschüssen „in Aussicht“ gestellt. Angesichts der Tatsache jedoch, dass das Deutsche Technikmuseum ab 2001 seinen 140 Millionen Mark teuren und 12.000 Quadratmeter großen Erweiterungsbau mit Objekten der Luft- und Raumfahrt sowie der Schifffahrt neu bespielen will, kommt die mögliche Finanzspritze einer „heillosen Unterfinanzierung“ gleich, wie Museums-Chefin Lieselotte Kugler beklagt.

Um den Ausstellungsbereich des insgesamt 25.000 Quadratmeter großen Museums für Verkehr und Technik adäquat ausstatten zu können, sind nach Berechnungen des Museums 20,6 Millionen Mark nötig. Den größten Anteil machen dabei die Einrichtungskosten für den Neubau mit 15,7 Millionen Mark aus, gefolgt vom Restaurant (1,16 Millionen) und zusätzlichen Depothallen sowie Personalkosten von zusammen fast 2 Millionen Mark. „Werden nur die unbedingt erforderlichen Kosten in Höhe von 3,9 Millionen Mark gedeckt“, so die Museumssprecherin Maria Borgmann, „ist im Neubau lediglich eine Ausstellungsgestaltung einiger Inseln möglich“. Die Restfläche würde den Charakter der Leere oder „eines begehbaren Depots“ aufweisen.

Konkret würden dem Neubau Installationen über die Herstellung der Nazi-Vergeltungswaffe V 2 und deren mörderische Produktionsgeschichte fehlen. Diese Rakete war Anfang der 40er-Jahre hauptsächlich von NS-Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in Peenemünde und in unterirdischen Stollen im Harz konstruiert worden. Außerdem, erklärt Borgmann, könnte die Geschichte zum Berliner Luftverkehr oder zum internationalen Walfang nicht ausgestellt werden. Für das Museum und seine Besucher bedeutete die Rumpfausstellung eine massives Defizit, rangiert doch das Technikmuseum mit 330.000 Besuchern jährlich nach dem Pergamonmuseum und dem Ägyptischen Museum an dritter Stelle auf der Beliebtheitsskala.

Zugleich wäre die international führende Stellung des Hauses mit seinen Sammlungen zum Schienenverkehr, dem Maschinenbau, der Film- und Nachrichtentechnik, der Computerentwicklung, dem Buchdruck sowie dem Park mit seinen Lokschuppen auf dem Gelände des einstigen Anhalter Güterbahnhofs gefährdet.

Ungeklärt ist auch der Engpass bei der Personalausstattung des Techniktempels. Während das Haus 1990 mit 195 Mitarbeitern einen Höchststand erreichte, wurde dieser bis 1998 auf 169 Mitarbeiter abgebaut. 2001, mit 12.000 Quadratmetern mehr Fläche, soll der Personalschlüssel auf 159 reduziert werden. „Ein im Vergleich zu anderen Museen unzureichender Zustand“, klagt Borgmann. Deshalb fordert Direktorin Kugler zur Eröffnung des Neubaus weitere 10 Stellen, damit Bereiche nicht geschlossen werden müssten.

Wie das Museum aus der Finanzklemme geführt werden kann, ist unklar. Den 1996 begonnenen Neubau für 140 Millionen hat das Land über private Bauträger finanziert, die bis 2021 ausbezahlt werden müssen. Zugleich verlangt die Bahn AG 50.000 Mark für den Gleisanschluss des Museums an die Bahntrasse.

Kultursenator Stölzl will für das Museum zumindest die unbedingt erforderlichen Kosten in seinem Etat durchboxen. Langfristig setzt Stölzl jedoch darauf, dass das Technikmuseum in eine Stiftung umgewandelt und zudem vom Bund alimentiert wird: eine mehr als vage Zukunftsperspektive.

Deutlichere Worte findet dagegen die kulturpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, Alice Ströver. Sie wirft dem Land vor, es habe sich seit „Mitte der 90er-Jahre keine Gedanken über den Inhalt des Neubaus für das Technikmuseums Gedanken gemacht“. Jetzt, nachdem das Haus fast fertig sei, fielen dem Senat die notwendigen Kosten vor die Füße – so wie ein Flieger ohne Auftrieb.