Stoppschilder gegen rechts

Die Europäische Union soll sich ein Arsenal abgestufter Sanktionen gegen Regierungen mit rechtsextremer Beteiligung zulegen, fordert die EU-Kommission

BRÜSSEL taz ■ Am Dienstag hat Romano Prodi in einer Grundsatzrede vor dem Europaparlament die europapolitische Initiative für die Kommission zurückgefordert. Einen Tag später legt seine Mannschaft bereits ein erstes Dokument ihres wiedergefundenen Handlungswillens vor.

Die Regierungskonferenz, die derzeit an einer Reform des Amsterdamer Vertrages bastelt, soll einen zusätzlichen Punkt auf ihre Tagesordnung setzen: die Erweiterung von Artikel 7. Dabei handelt es sich um einen Abschnitt im EU-Vertrag, der durch die Österreich-Debatte zu bescheidenem Ruhm gelangt ist. Er legt fest, dass „auf Vorschlag eines Drittels der Mitgliedsstaaten oder der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments der Rat einstimmig feststellen (kann), dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der Grundsätze der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte vorliegt“.

Hat der Rat dies einstimmig festgestellt, kann er mit qualifizierter Mehrheit die Rechte des betreffenden Mitgliedsstaates aussetzen – einschließlich des Stimmrechts im Rat. Im Fall Österreich wurde Artikel 7 zwar häufig zitiert, aber nicht angewandt – aus zwei Gründen. Zum einen suchten die 14 Ratsmitglieder nach Möglichkeiten, Schüssel und Haider zu stoppen, bevor es zu Verletzungen der EU-Grundwerte kommen konnte. Zum Zweiten schienen fast allen Mitgliedsstaaten die möglichen Sanktionsinstrumente als zu radikal. Diese Lücke möchte die Kommission mit ihrem Zusatz füllen: Mit Zweidrittelmehrheit soll der Rat auf Vorschlag eines Drittels der Mitglieder, der Kommission oder des Parlaments feststellen können, dass ein Bruch der EU-Grundwerte droht. Kommt diese Mehrheit zustande, wird der kritisierte Staat angehört und eine „angemessene Empfehlung“ ausgesprochen.

Die Kommission will nicht näher erläutern, was sie sich unter einer „angemessenen Empfehlung“ vorstellen könnte. Es sei Sache des Rates, sich eine auf den jeweiligen Fall zugeschnittene Reaktion zu überlegen. Man mag dem federführenden Kommissar Michel Barnier vorwerfen, dass er sich damit um den heikelsten Punkt – die Ausgestaltung der Sanktionen – herumdrückt. Immerhin aber schlägt er ein Verfahren vor, mit dem der Rat in Zukunft vertragskonform Stoppschilder aufstellen könnte.

Wäre ein solcher Zusatz im Januar schon Bestandteil des EU-Vertrages gewesen, hätte die Gemeinschaft nicht den Umweg über „bilaterale“ Sanktionen nehmen müssen, der kaum durchzuhalten und den Bürgern auch nicht zu vermitteln war. Deshalb täte der Rat gut daran, sich Ende des Jahres auf eine Ergänzung des Artikels 7 zu einigen, die Belgier und Österreicher in denkwürdiger Allianz gefordert haben. Das derzeitige Klima in der Regierungskonferenz spricht nicht dafür, dass zusätzliche Tagesordnungspunkte eine Chance haben könnten. Sollte der Rat sich aber nicht darüber verständigen, wie in Zukunft mit schwarzen Schafen umgegangen wird, ist die nächste diplomatische Pleite schon vorprogrammiert: Im Frühjahr wählt Italien, und die Prognosen sehen gut aus – für Berlusconi und Konsorten.

DANIELA WEINGÄRTNER