„Für ein normales Leben kämpfen“

Boris Tadić, der Vizepräsident der Demokratischen Partei, sieht in den Aktionen des Milošević-Regimes „die letzten Zuckungen der letzten Bastion des Bolschewismus in Europa“. Das Volk werde sich verteidigen

taz: Sie sind wegen Sabotage und „subversiver Tätigkeit“ angeklagt.

Boris Tadic: Es ist eine Ehre für mich, dass mich dieses Regime als ein subversives Element bezeichnet. Es ist aber eine Schande, dass die Staatsanwaltschaft einen solchen Begriff überhaupt gebraucht. Das zeigt, dass sich in Serbien eigentlich nichts seit dem Einparteisystem geändert hat. Mein Prozess soll anscheinend nichts anderes werden als einer der vielen politischen Prozesse, die üblich sind für das Regime und die Gedankenwelt von Milošević und seiner Gattin Mira Marković. Doch das sind die letzten Zuckungen der letzten Bastion des Bolschewismus in Europa.

Fürchten Sie sich vor einer Verhaftung?

Ich bin nicht so sehr besorgt, was mit mir oder mit Nebojša Čović, dem Bürgermeister von Belgrad, passiert, sondern wegen des Schicksals der streikenden Bergarbeiter, die das Regime beschuldigt, ihr gesetzlich garantiertes Streikrecht missbraucht zu haben. Dieses Regime würde wegen der eigenen Machterhaltung am liebsten jegliche Bürgerrechte abschaffen, sogar das Recht auf das Leben, was ihm im vergangenen Jahrzehnt ganz gut gelungen ist.

Was wird das Regime jetzt tun?

Der Beschluss der serbischen Regierung ist das erste Anzeichen für eine erkennbare Strategie nach der katastrophalen Wahlniederlage. Das Regime macht den Bürgern damit nichts anderes klar, als dass es die Macht mit nackter Gewalt verteidigen würde, und dass ihm der Volkswillen egal ist. Wahrscheinlich werden jetzt politisch-polizeiliche Maßnahmen aus dem Repertoire einer diktatorialen Staatsmacht folgen. Ich bezweifle jedoch, dass das Regime noch mit genügend Gefolgsleuten für diese sinnlose Politik rechnen kann. Und die Streikwelle in Serbien zeugt von der Entschlossenheit unserer Bürger, ein normales Leben in einem normalen Land zu erkämpfen. Denn allein darum geht es. Deshalb haben wir in der Demokratischen Opposition Serbiens alle Parteiunterschiede vorerst zur Seite geschoben.

Wie wird die Opposition auf Gewalt reagieren?

Wir müssen einfach dem Regime in die Augen schauen und uns der politischen Gewalt in den Weg stellen. Und genau das tut jetzt das Volk. Es hat das natürliche Recht, sich zu verteidigen. INTERVIEW: ANDREJ IVANJI