Liebesanalphabeten unterwegs

■ Über Leute, die er nicht alle zum Hot Dog einladen würde: Das Erzähl-Debüt „Radiator“ des jungen Dänen Jan Sonnergaard

Gerne wird damit kokettiert, dass Altona einst zu Dänemark gehörte, wenn man belegen will, dass dort ein ganz besonderer Widerstandsgeist herrsche. Ob einem freilich die damaligen dänischen Gesellschaftsregeln tatsächlich gefallen hätten, steht auf einem anderen Blatt. Wie es um Dänemark möglicherweise heute bestellt ist, kann man einem schmalen Band mit Erzählungen von Jan Sonnergaard entnehmen.

„Geschichten aus der Kopenhagener Provinz“, so ist er untertitelt und Sonnergaard lässt gleich in der ersten Geschichte keinen Zweifel daran, dass es zwischen den jungen Leuten in dieser vordergründig so gemütlichen Hauptstadt nicht immer lustig zu geht: „Ulla drückte mir die Hand, sah mich an und sagte: ,Es tut mir wirklich Leid!' und machte dabei diese ironische Miene, die sie immer aufsetzt, wenn sie sich voll und ganz geborgen fühlt und trotzdem gern will, dass irgendwas abgeht, weil sie ein bisschen zuviel getrunken hat, und das darf dann um Himmels Willen nicht langweilig sein, ich muss ihr Kontra geben, wenn sie mich provoziert“. „William“ heißt die Geschichte, und man ahnt gleich: Ein Happy End ist nicht zu erwarten. Ulla ist vermutlich schwanger, die beiden haben Urlaub und ziehen abends durch die Gegend, wobei sie ihr Geld verschleudern. Bis sie eines Abends in einer Bar auf ein kleines Männchen stoßen - William. Und was der aus seinem Leben erzählt, ist noch unangenehmer, als was wir über Ulla und ihren seltsamen Freund erfahren haben.

„Liebesanalphabeten“ hat Jan Sonnergaard in einem Interview seine Helden genannt, in einer Mischung aus Zuneigung und Erklärungsnot: Schaut hin, sie sind so, wie sie sind. Er mag sie, keine Frage; aber sie sind ihm immer auch ein wenig unheimlich, und sicher würde er nicht alle zum Hot Dog einladen.

In Dänemark war das Buch ein echter Erfolg. und der Autor heimste viel Lob ein. Ihn wundert das etwas: „Ich habe versucht, so unangenehm wie möglich zu schreiben, und dann kamen die Leute und umarmten mich.“ Frank Keil

Jan Sonnergaard: Radiator, Achilla Press, Hamburg/Bremen