„Probleme nicht benannt“

Margit Hauck vom Vorstand des Landesjugendrings kritisiert, dass der Kinder- und Jugendbericht des Senats nicht einmal eine vollständige Bestandsaufnahme liefert

taz: Der Landes-Kinder- und Jugendbericht, den eine Sachverständigenkommission gerade fertig gestellt hat, soll eine Handlungsgrundlage für die Jugendpolitik und die Jugendarbeit in der Stadt sein. Ist er das?

Margit Hauck: Nein, der Bericht hat nur beschreibenden Charakter. Schlussfolgerungen fehlen. Und auch die Bestandaufnahme ist nicht vollständig.

Hat Ihnen diese Bestandsaufnahme neue Erkenntnisse gebracht?

Nein, neue Erkenntnisse habe ich nicht gewonnen, und da bin ich im Landesjugendhilfeausschuss nicht die Einzige. Einige Punkte wie Rechtsextremismus werden in dem Bericht, soweit ich ihn kenne, gar nicht oder nur sehr kurz angesprochen. Die Literatur, auf die verwiesen wird, ist in der Regel mindestens zehn Jahre alt. Wenn man aber auf Literatur von 1985 verweist, ist das nicht mehr der Stand der Dinge – wenn man bedenkt, dass wir vor zehn Jahren eine Wende hatten.

Wenn es schon keine Verbesserungsvorschläge gibt, werden denn Versäumnisse der hiesigen Jugendpolitik und Jugendarbeit benannt?

Es wird schon auf das Thema Jugendarbeitslosigkeit eingegangen, was ein Hauptproblem für die Jugendlichen ist. Dass sie keinen Ausbildungsplatz finden oder oft nur einen öffentlich geförderten, bei dem es dann keine Übernahme in die reguläre Tätigkeit gibt. Das wird benannt, das ist auch wichtig, aber letztendlich wird nicht weiter gedacht. Was heißt das? Was muss man tun? Was muss Jugendarbeit leisten? Generell gilt, dass strukturelle Probleme in dem Bericht nicht oder nicht ausreichend benannt werden.

Zum Beispiel?

Wir haben ein Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, in dem steht, dass mindestens 10 Prozent des Jugendetats für solche Maßnahmen aufgewendet werden, für die es ansonsten keinen individuellen gesetzlichen Anspruch gibt. Etwa für Jugendzentren oder Jugendverbandsarbeit. Das Gesetz wird aber seit Jahren nicht eingehalten. Das ist ein ganz zentraler Punkt, der unbedingt in dem Bericht stehen müsste. Aber er spielt in dem Bericht so gut wie keine Rolle. Das finde ich skandalös. Gerade weil jetzt ein Haushaltssanierungsgesetz beschlossen worden ist, das unter anderem bei der Jugendarbeit weiter kürzt. Auch dass im Ostteil der Stadt ein großer Bereich der Jugendarbeit über Mittel des Arbeitsamtes finanziert wird und der wegbricht, wenn die Förderung ausläuft, ist ein solches Problem. Auch das wird nicht benannt.

Das alles hört sich so an, als würde der Bericht weder die Jugendpolitik noch die Praktiker weiterbringen.

Ja, das stimmt. Aber das liegt auch den Rahmenbedingungen, unter denen der Bericht erstellt worden ist. Die Sachverständigen haben das in ihrer Freizeit gemacht, die Geschäftsstelle war nicht ausreichend ausgestattet.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

Margit Hauck ist Leiterin der Jugendbildungsstätte der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Vorstandsmitglied des Landesjugendrings und Mitglied des Landesjugendhilfeausschusses