zwischen den rillen
: Nicht ganz dicht: „Neo.Now“ von Fünf Sterne Deluxe

Wenn Bass massiert

So ist das, wenn vier Männer zwischen zwanzig und dreißig HipHop in Deutschland machen und schon länger als zwei, drei Jahre dabei sind: Mittendrin in der gutbürgerlichsten Jugendkultur fühlen die sich alt und weise und schreiben sich zum Auftakt ihres zweiten Albums „Neo.Now“ den Refrain „Die alten Männer sind zurück, jawohl, jawohl, auch sie sind 5 Sterne Deluxe“ auf den Leib. Nun weiß man bei Fünf Sterne Deluxe aus Hamburg zwar nie, wie sie das alles wirklich meinen. Reichlich viel Quatsch und waschechter Ernst sind bei ihnen oft aufs Engste verbunden, und der Genuss von kiloweise Gras und das Abfeiern desselbigen tun ihr Übriges, um Sachen zu reimen wie „In New York City aufm brennenden Sofa, geben wir mehr Gas als im Hühnerstall ’ne Oma“.

Immerhin aber weiß man, wenn man sie einmal live auf der Bühne oder in ihren Videos gesehen hat, dass ihrHipHop nicht nur was ist für Kiddies aus gepflegten schwäbischen Vorstädten, die ihren Eltern mal eine lange Nase drehen wollen, sondern sich genauso gut macht in Bierschwemmen in Hamburg-Eimsbüttel oder Berlin-Wedding. Und man weiß, dass da in der Tat nicht mehr ganz junge Männer die Sau rauslassen und Wortsport auf höchstem Niveau betreiben: ausgefuchst, abgehangen, postpubertär bis in alle Ewigkeit, gekonnt daneben. Norddeutscher Spaß- und Stumpfsinn regiert, aber mit Ansage: „’türlich, ’türlich, wir brauchen Bass, Bass“, um es mit Fünf-Sterne-Rapper Das Bo zu sagen.

Das Bo war einst die eine Hälfte des HipHop-Duos Der Tobi und das Bo, das Mitte der Neunziger mit einer Art intelligenten Blödelrap einen dritten Weg zwischen dem Kommerzrap der Fanta Vier und der verbohrten Old-School-Fraktion von Advanced Chemistry aufzeigte und damit deutschen HipHop erst richtig in die Spur brachte. Aus der Tobi und das Bo wurden durch das Hinzukommen von DJ Coolman und einem Menschen namens Marcnesium Fünf Sterne Deluxe, und aus HipHop wurde hierzulande: das nächste große Ding, eine Jugendkultur, die neueste neue deutsche Welle.

Hatte man aber gedacht, dass sich das schnell wieder geben würde, drehte ausgerechnet Das Bo mit seinem Partyhit „’türlich, ’türlich (sicher dicker)“ die Schraube nochmals an und landete einen der erfolgreichsten Sommerhits in diesem Jahr: Bässe, Frauenärsche und Mackerherzen galore. Fünf Sterne Deluxe zogen mit „Die Leude“ nach, rappten „Die Leute wollen das was passiert, die Leude wollen, dass Bass massiert, die Leude wollen uns“ und gaben im dazugehörigen Video ausnahmslos nur beste Figuren ab – als Kellner, Köche, Polizisten, Zuhälter und vor allem Chefrocker, die reimen „Halts Maul, bleib locker, hier kommen die Chefrocker“. Ungefähr in diesem Duktus weisen die „vier Typen mit dem großen Ego“ auch auf „Neo.Now“ in jedem ihrer Tracks darauf hin, wie groß sie sind (aber nicht wie klein und doof die anderen!): „Wir ham’s drauf, keiner kommt an uns ran, so sieht’s aus, guck dir das genau an, kommt groß raus, ja das werden wir dann.“

Das muss so und geht mitunter auf die Nerven, doch hinsichtlich Beats und Sounds ist „Neo.Now“ durchweg die ganz hohe Schule. Da werden neben den einschlägigen Hits „Leude“ und „Ja, ja, deine Mudder“ fast alle Stücke locker durch tausendundeine Mühle gedreht: der Discofunkreißer „Stop talking bull“, die tonnenschweren „So dumm“ und „Champagneros“, das weirde „Auf der Yacht nach Dr. Hossa“.

Inhaltlich sprengen die Tracks jedoch nicht den Rahmen der mittlerweile sattsam bekannten Issues Rauchen und Saufen („verdammt viel gesoffen, verdammt viel geraucht“), Spaß („wir sind so lustig wie der Times Square bei Nacht“, was immer das bedeutet), Dummheit in Deutschland (Ballermann, Big Brother, Hitparade). Über den HipHop-Boom aber nur wenig Worte – Fünf Sterne Deluxe kreisen auf ihrem eigenen Planeten, wissen, dass ihr HipHop nicht auf den einen Tag am Meer und in den Charts produziert ist, sondern Lebensweise, Haltung und Kunst ist. Dafür braucht es keine Reime. Wer da auf die Idee kommt, irgendwo doch eine tiefergelegte Sendung zu entdecken, den lassen Fünf Sterne Deluxe locker im Regen stehen und stimmen den Leuden zu, „die behaupten, dass wir nicht ganz dicht sind“, und den anderen, „die sagen, dass wir immer nur dicht sind“.

GERRIT BARTELS

Fünf Sterne Deluxe: „Neo. Now“ (Yo Mama/Zomba)