Erzähl's noch einmal, Charon!

■ Vorschau: Der Bremer Autor Norbert Bogdon präsentiert sein „Tagebuch eines Arschlochs“. Ist das Werk autobiografisch?

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Sagt der Volksmund. Norbert Bogdon gehen die blut- und bodenständigen Körperöffnungen allerdings ab. Die Reisen, die der 32-jährige Bremer tätigt, sind eher kurzer Natur. Vom Fähranleger Vegesack geschätzte 150 Meter Luftlinie zum Fähranleger Lemwerder. Luftiger (& lustiger?!) Arbeitsplatz. Erzählen kann er trotzdem was. Und das tut er gern und ausgiebig.

Einen Text hat er geschaffen, der eine Art Update des liebenswert ruppigen Charakters „Ekel“ Alfred Tetzlaff darstellt. Der namenlose Protagonist des „Tagebuch eines Arschlochs“ ist wesentlich jünger als Wolfgang Menges Kleinbürgerheimsuchung und auch nicht so vordergründig „unpolitisch“-politisch. Man schreibt eben in den 90ern. Meist brutal, mal aber auch überraschend poetisch brechen die Alltagsbeobachtungen dieses jungen Mannes, der sich auch selbst für ein Arschloch hält (und ganz prima damit klarkommt) in unser Lesevergnügen hinein. Nein, so einen möchte man nicht zum Freund haben! Obwohl oder vielleicht gerade weil man auch den einen oder anderen Zug an sich selbst wieder erkennt. Achten Sie mal drauf: Was würde herauskommen, wenn Sie einen Tag oder eine Woche lang alles aufschrieben, was sie über die, denen Sie begegnen, so denken?

Schwerpunkt des studierten Kulturwissenschaftlers ist der süffisante Blick in den Mahlstrom der Banalität. Teilnehmende Beobachtung, so in der Art. Nun ist das „Tagebuch eines Arschlochs“ stilistisch zwar gut gearbeitet aber nicht der große Wurf. Bleibt weit hinter Bogdons literarischem Ziehvater zurück, dem Österreicher Heimito von Doderer, von dem sich der Nordbremer auch den Namen seines Privatverlags geliehen hat: „Hulesch&Quenzel“. Aber das macht nichts, denn erstens kann Bogdon ebenso gut lesen wie erzählen. Und zweitens verdient er allein für das unermüdliche Eintreten in eigener Sache Erwähnung.

Von seinem eigenen Leben spricht der Bremer Autor fast wie von dem einer Romanfigur. Ist es wirklich so, dass er sich all der Hände erinnert, von Frauen, die er einmal gekannt hat? Und: Warum erzählt er das? Gewiss liebt Bogdon die Provokation. Doch stets von der sicheren Position desjenigen, der erkannt hat, dass alles sowieso nicht mehr als ein Spiel ist. Passend dazu – eitel und selbstironisch zugleich – beschreibt er seine Figur als „einen, der glaubt, den Durchblick zu haben“.

Glauben heißt nicht Wissen. Das fiktive Tagebuch also doch autobiografisch? „Klar, ich hab's ja geschrieben“, meint Bogdon. Und er erzählt, dass er sich in zig Jahren des Zusammenseins noch nie mit seiner Freundin gestritten habe. Und sie? Wie dem auch sei: Wir seh'n gänzlich unbetroffen; der Vorhang geht zu, die Fragen bleiben offen. Viel Vergnügen!

Tim Schomacker

Lesung am Sonntag, 8. Oktober, 20 Uhr im Ambiente, Osterdeich 69a.