Gummibärchen als Exportschlager

Gymnasiasten in Charlottenburg wollen mit einer eigenen Firma Leckereien an schottische Schüler verkaufen

So sieht also eine Aktionärsversammlung aus: Der große Saal des Sophie-Charlotte-Gymnasiums ist braun getäfelt, der Linoleumboden grün, an den Fenstern etwas schmuddelige Samtvorhänge, und dann sind da noch die Aktionäre: Jugendliche, denen man ansieht, dass sie sich nicht ganz so wohl fühlen in Hemd und Krawatte. Aber das gehört wohl dazu. „Meine Damen und Herren, wir begrüßen Sie herzlich zu unserer Info-Veranstaltung zu SCOTYs“, heißen Robert Greve und Leyli Ahmadizenoz die etwa 40 Erwachsenen und Jugendliche willkommen. Ein bisschen aufgeregt, ein bisschen nervös und auch ein bisschen stolz fangen sie an, durch den Abend zu führen. Sie sind die Geschäftsführer der vor wenigen Wochen gegründeten Schüleraktiengesellschaft SCOTYs.

SCOTYs heißt Sophie’s Company of Trading Youngsters und ist eine Firma mit 28 Schülern aus der 10. Jahrgangsstufe des Gymnasiums, die im Rahmen des europäischen Projekts Achievers International vor kurzem gegründet worden ist. Das britisch-deutsche Schulprojekt soll Jugendliche an die Berufswelt heranführen und wird unter anderem von der britischen Botschaft gefördert. „Die näheren Einzelheiten zu unserer Firma werden Ihnen jetzt unsere Bereichsleiter vorstellen.“ Die beiden Geschäftsführer geben – ein bisschen erleichtert – an die Wartenden in der ersten Reihe ab. Dann geht es Schlag auf Schlag: Finanzen, Marketing, Kontakt, Dividenenausschüttung, Marktanalyse, Sponsoring und so weiter und so fort. Der Buisinessplan steht: Gummibärchen sollen an die Firma der schottischen Partnerschule exportiert werden, denn durch fundierte Einzelgesprächen mit schottischen und englischen Gleichaltrigen habe man herausgefunden, dass hier eine eklatante Marktlücke zu füllen ist. Auch den Weihnachtsmarkt werde man mitnehmen, indem man Lebkuchen und Spekulatius exportiert: typisch deutsches Weihnachtsgebäck eben. Die Zuhörer sitzen mit dieser wohlmeinend-abwartenden Haltung da, die Eltern in diesen Situationen einzunehmen pflegen.

Erst als es um das Zeichnen der Aktien geht – bei Überzeichnung soll gerecht verteilt werden – kommen kritische Fragen der zukünftigen Anteilseigner: Was passiert mit den verbleibenden 51 Prozent Gewinn? wem gehören die? Und warum entspricht das Gesamtkapital nur 49 Prozent der Aktien? Hm. Kurzes, etwas ratloses Schweigen auf Seiten der Geschäftsführung. „Diese Frage geben wir doch am besten gleich an unseren Finanzfachmann ab“, zieht sich die Führung aus der Affäre. Der Finanzmann lacht genauso verlegen wie der Rest, kommt hinter seinem Tisch vor, will zum Stehpult, dreht sich noch einmal für eine kurze Besprechung um. Das Problem wird schnell gelöst, denn generell ist das Auditorium geneigt, die gute Sache zu unterstützen. Also beginnt das Zeichnen der Aktien. Sie kostendrei Mark pro Stück, plus zehn Pfennig Druckkosten.

Dazwischen bleibt Zeit, sich mit dem Pressesprecher und Umstehenden zu unterhalten. Vor allem die firmeninternen Hierarchien sind außergewöhnlich: „Wir sind alle gleichberechtigt, haben die Geschäftsführer per Abstimmung gewählt“, versucht Gina Rembe aus dem Bereich Sponsoring zu erklären. „Aber die Geschäftsführung gibt uns schon Ratschläge“, fällt Magda Ryfa, auch Sponsoring, ins Wort. Sie einigen sich schließlich darauf, dass die Entscheidungen der Geschäftsführung die Gruppenmeinung widerspiegeln muss.

Und der Personalrat? Lachen bei allen. „Den gibt’s nicht, so weit sind wir wohl noch nicht!“ Inzwischen sind alle Aktien gezeichnet, und man schreitet zur Zuteilung. Jetzt kann es also losgehen mit dem internationalen Handel, vom Sophie-Charlotte-Gymnasium aus. Und vielleicht eignen sich Gummibärchen und Lebkuchen ja wirklich zum Exportschlager. SUSANNE AMANN