„GmbH-Irrgarten“: Grüne wittern mehrfachen Verfassungsbruch des Senats

■ Die Oppositonspartei will jetzt wegen der fortschreitenden Ausgliederung staatlicher Aufgaben vor den Staatsgerichtshof ziehen

Die Bremer Grünen verschärfen ihre Angriffe auf die Privatisierungspolitik des Senats. So will die Oppositionspartei jetzt wegen der Ausgliederung staatlicher Aufgaben an privatrechtliche Gesellschaften vor den Staatsgerichtshof ziehen. Die Grünen halten das zugrunde liegende Beleihungsgesetz für verfassungswidrig, weil es die parlamentarische Kontrolle dieser Gesellschaften stark einschränkt. Wie jetzt bekannt wurde, bestätigt der mit einem Gutachten beauftragte Bremer Verfassungsrechtler Dian Schefold diese Auffassung: Das Gesetz werde „den Vorgaben des parlamentarischen Demokratieprinzips nicht gerecht“.

Im Mittelpunkt der Klage stehen die Kontrollrechte über die Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG) und den Bremerhavener Zwilling BIS, an die der Senat wichtige Aufgaben der Wirtschaftsförderung übertragen hat. Zurzeit plant der Senat außerdem die Beleihung der Controllinggesellschaft kmb (siehe taz vom 7.10.) und will auch die Vergabe von Sozialhilfe an neue GmbH mit den Namen „Arbeit Bremen“ und „Arbeit Bremerhaven“ übertragen. Diese Gesellschaften sollen zwar genauso wie die BIG von Aufsichtsräten kontrolliert werden. Doch sind die Abgeordneten in diesen Gremien dem Wohl der Gesellschaften und somit zur Geheimhaltung verpflichtet. Vom Senat entsandte Abgeordnete handeln außerdem weisungsgebunden. Wie berichtet, halten auch führende SPD-PolitikerInnen diese Konstellation inzwischen für problematisch.

Nach Angaben der Grünen-Fraktionssprecherin Karoline Linnert geht es dabei um eine prinzipielle Frage: „Darf man den Staat in einen Irrgarten von GmbHs zerlegen, die im Gegensatz zum Parlament und zur Verwaltung nicht mehr dem Gemeinwohl, sondern dem Wohl von Unternehmen verpflichtet sind?“ Die Grünen beantworten diese Frage zwar nicht grundsätzlich mit Nein. „Aber was der Senat mit Arbeit Bremen und Bremerhaven vorhat, geht eindeutig zu weit“, sagt Linnert.

Die Kritik der Grünen zielt nicht nur auf das Gesetz selbst, sondern auch auf den Umgang des Senats mit ihm. „Auf die im Gesetz vorgeschriebenen Berichte warten wir bis heute vergeblich.“ Außerdem würden Anfragen durch den Senat nicht beantwortet. Linnert deshalb: „Die Klage gegen das Beleihungssgesetz ist nur ein Teil.“ Die Klageschrift soll voraussichtlich im November vorliegen. Dann brauchen die Grünen 25 Unterschriften von ParlamentarierInnen – auch von Abgeordneten von CDU und SPD. „Wir wollen mal sehen, ob sich die große Koalition an Absprachen hält.“ SPD und CDU in der 100köpfigen Bürgerschaft hatten der nur zehn Abgeordnete zählenden Opposition Unterstützung zugesagt. Bei Klagen vor dem Staatsgerichtshof oder dem Beantragen eines Untersuchungsausschusses reichen die zehn Sitze nicht.

In einem Einzelfall haben die Grünen einen unerwarteten Fürsprecher gefunden. Die vom Senat beauftragte Unternehmensberatungsfirma Roland Berger lehnt eine Beleihung der kmb nach Angaben von Linnerts Stellvertreterin Helga Trüpel „vehement ab“. Die als Vertragspartner der Betreibergesellschaft des Musicals „Jekyll & Hyde“ in die Kritik geratene Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft HVG ist keine beliehene Gesellschaft. Doch auch hier wollen die Grünen nicht untätig bleiben. Trüpel hat vollständige Akteneinsicht beantragt. Sie will feststellen, ob und ab wann die ParlamentarierInnen über die tatsächlichen Vertragsbedingungen getäuscht wurden. ck