Privatsphäre verletzt

Aus Protest gegen die geplante Videoüberwachung und den Überwachungsstaat statteten autonome AktivistInnen der SPD-Abgeordneten Heidemarie Fischer einen Besuch ab

von CLARA HOLWEIN

Ungewöhnlichen Besuch bekam die innenpolitische Sprecherin der Berliner SPD, Heidemarie Fischer, gestern Mittag: Etwa dreißig AktivistInnen, unter ihnen einige Damen und Herren in Trenchcoat, kamen, um ihr Haus (...) mit Ferngläsern, selbstgebauten Videokameras und Fotoapparaten zu überwachen. Rund um den Eingang des Mietshauses und an den Fußwegen vor dem Haus installierten sie Videokameras, um die SPD-Politikerin rund um die Uhr zu observieren. „Gegen die Überwachungsgesellschaft und Sicherheitswahn“ stand auf einem Transparent, das an der Einfahrt zum Parkplatz vor dem Haus platziert wurde. „Leben mit Big Brother – ohne uns, Frau Fischer“, war an den Häuserwänden zu lesen.

Die Aktion, die von einigen „Autonomen gegen den Überwachungsstaat“ organisiert worden war, richtet sich gegen die Überwachung von öffentlichen und privaten Plätzen in der Stadt. Heidemarie Fischer gilt innerhalb der Berliner SPD als Befürworterin von Videoüberwachungen öffentlicher Plätze. Obwohl im Koalitionsvertrag lediglich die Überwachung von Friedhöfen, Botschaften oder Denkmälern festgeschrieben ist, sollen nach Plänen der CDU so genannte „gefährliche Orte“, wie Breitscheidplatz, Kottbusser Tor oder Hermannplatz zunächst im Rahmen eines Modellversuchs observiert werden.

In kurzen Wortbeiträgen kritisierten die AktivistInnen die Haltung der SPD-Politikerin. Die Videoüberwachung sei ein weiterer Schritt der Umstrukturierung der Innenstadtbereiche, die nicht länger als Raum zum Wohnen und Leben, sondern als einzige große und saubere Einkaufspassage gedacht seien. Dadurch würde die Ausgrenzung sozialer Gruppen geschürt und das Recht auf Freizügigkeit außer Kraft gesetzt.

Nach einer halben Stunde beendeten zwei PolizistInnen die Aktion gewaltsam. Ohne verbale Vorankündigungen stürzten sie sich auf einige der AktivistInnen. Einige der Videoüberwachungs-GegnerInnen konnten nach einer kurzen Verfolgungsjagd in einem nahe gelegenen Park entkommen.

Die Polizei nahm eine Person fest. Heidemarie Fischer zeigte keine Reaktion. Ob sie überhaupt zu dem Zeitpunkt zu Hause war oder wann sie wieder nach Hause kam, wird die Auswertung des Videomaterials in den nächsten Tagen ergeben.