Nachama fordert „flexible Bannmeile“

Nach Anschlag auf Synagoge: Chef der Jüdischen Gemeinde will Einschränkung des Demorechts. Keine Spur von Tätern

Nach dem Anschlag auf die Kreuzberger Synagoge hat der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, ein hartes Vorgehen gegen Rechtsradikale eingeklagt. Zugleich stützte er die Forderung des Zentralrats-Vize Michel Friedman, angesichts rechtsradikaler Demonstrationen am Brandenburger Tor eine Bannmeile einzurichten: „Wenn das Demonstrationsrecht nicht eingeschränkt wird, könnte die Demokratie mehr Schaden nehmen, als wenn es so bleibt, wie es ist.“ Über die Forderung Friedmans hinaus sei er „für eine flexible Bannmeile, die verschiedene Orte kurzfristig vor verfassungsfeindlichen Demonstrationen schützt“, sagte Nachama.

Unterdessen hat die Polizei noch keine Spur von den Tätern, die in der Nacht zu Freitag Fenster der Synagoge am Fraenkelufer eingeworfen haben. Auf einem benachbarten Schulgrundstück war der Spruch „Israelis sind Kindermörder“ in den Blick der Öffentlichkeit geraten und hatte angesichts der gegenwärtigen Unruhen in Israel Spekulationen darüber ausgelöst, ob nicht auch Palästinenser den Anschlag verübt haben könnten. Diesen Hintergrund der Tat hält Nachama jedoch eher für unwahrscheinlich. Er kündigte an, man werde das mit dem Senat vereinbarte Sicherheitskonzept „ohne Hysterie weiter verfolgen“. Es müsse aber so gestaltet sein, „dass nicht eine Atmosphäre wie in Stammheim entsteht“.

Spitzenpolitiker wie Joschka Fischer (Bündnisgrüne) hatten am Freitagabend als Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Minderheit an einem Gottesdienst in der Synagoge an der Pestalozzistraße teilgenommen. Eine Mahnwache am Jüdischen Gemeindezentrum in der Fasanenstraße war dagegen kaum besucht. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die PDS in Friedrichshain-Kreuzberg an, „der Kampf gegen Rassismus und Intoleranz“ werde einen „zentralen Stellenwert“ in ihrer Politik einnehmen. Der Berliner Verein „Miphgasch/Begegnung“, der sich für die Verständigung zwischen deutschen und jüdischen Jugendlichen einsetzt, hat eine Unterschriftenaktion gegen antisemitische Angriffe initiiert. Zu den Erstunterzeichnern gehören Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Grünen-Chefin Renate Künast. Unterschriftenlisten sind unter der Telefonnummer (01 79) 2 90 20 02 zu erhalten.

PHILIPP GESSLER