Der Ball ist schwul und Hella von Sinnen

Bei der homosexuellen Fußball-WM revanchiert sich England mit 1:0 für das Treiben seiner Heteros in Wembley

KÖLN taz ■ Das legendäre Wembley-Stadion hätte es verdient gehabt. Ganz England sowieso. Nichts wäre passender gewesen, als sich mit dem WM-Titel einer englischen Fußballmannschaft aus diesem Stadion zu verabschieden. Dann wurde es nur ein Bolzplatz in Köln, wo es einen Titel zu feiern gab. Aber immerhin: gegen Deutschland.

Mit 1:0 besiegten die London Lions im Finale der schwul-lesbischen Fußball-WM den Titelverteidiger aus Köln, das Cream Team Cologne. 35 Mannschaften aus drei Kontinenten kamen, um rund um das Müngersdorfer Stadion ihre Meister zu ermitteln. Teams wie die Hotlanta Heat aus den USA, die African Angels aus Simbabwe oder der SV Vorspiel Berlin folgten der Einladung von Janus Köln, der mit dieser WM den sportlichen Höhepunkt seines 20-jährigen Bestehens feierte. „In der Größenordnung gab es diese Weltmeisterschaften noch nie“, freute sich Pressesprecher Andreas Stiene über die Resonanz. Zweifelsfrei ein gelungenes Fußballturnier, bei dem charmante Kleinigkeiten zeigten, mit wie viel Detailfreude schwuler Fußball präsentiert wurde. Die Linienrichter schwenkten regenbogenfarbige Fahnen bei Abseitsentscheidungen und ließen mehr als die sonst erlaubten drei Einwechselungen zu. Es war die Gelegenheit, den Sport so zu erleben, wie er tatsächlich auf tausenden von Fußballplätzen gespielt wird. Nicht pedantisch und mit Regeln versehen, die etwa das Jubeln nach dem Torerfolg bestrafen.

„Es gibt in Köln viele Homosexuelle, und ich kenne selbst viele, und das sind fantastische Leute. Die kreativsten, respektvollsten Menschen der Welt“, sagte Ewald Lienen in einem taz-Interview. Doch die Ostkampfbahn in Köln-Müngersdorf ist nicht das Wembley-Stadion. Selbst wenn es sich die Engländer diesmal gewünscht hätten. Immer noch hat schwul-lesbischer Sport hier zu Lande einen anderen, meist niederen Stellenwert als die Leibesübungen von Heteros.

„Mein Gott, spiel ich schwul“, ist selbst auf dem Bolzplatz neben dem Finalort ein gängiger selbstironischer Ausdruck der eigenen „schwachen, kampflosen“ Leistung. Bitterer Ernst war aber jene Diskriminierung, die im Juni 1998 dazu führte, dass sich der dunkelhäutige und schwule Fußballspieler Justin Fashanu das Leben nahm. Als erster farbiger Kicker wurde er bei Nottingham Forest mit einer Million Pfund Gehalt entlohnt. Nachdem der Manager Brian Clough von Fashanus Neigung erfuhr, schmiss er ihn raus. Danach wurde er als Fußballer nicht mehr ernst genommen und fand auch innerhalb der neuen Teams keinen Rückhalt.

Yves Eigenrauch beschäftigte sich in seiner taz-Kolumne „in funnyland“ auch schon mit dem Thema: „immerhin könnte es sein, dass ich homosexuell wäre“, schrieb der Schalker. „folglich könnte ich postmodern werden und mich als ein solcher outen. war ja mal sehr populär, wenn auch nicht im fußball . . . konservativ, wie sich der sport nach wie vor darstellt, erführe die betreffende person sicherlich eine recht große ablehnung; oder es würde ihr zumindest recht distanziert begegnet. weshalb auch immer?“

Der DFB reagierte im Vorfeld dieser WM immerhin mit einem Grußschreiben an die Teilnehmer. Vielleicht ist dies ein kleiner Schritt. Gerade im herkömmlichen Ligabetrieb wäre die Einführung von Schwulen und Lesben, die spätestens in der männlichen A-Jugend rausgemobbt werden, eine Utopie. Obwohl: Im Fußball geht es doch nur um „Pommes essen, Bier trinken und in der Sonne sitzen“, wie Hella von Sinnen es treffend auf den Punkt brachte. Oder? OKE GÖTTLICH