Schumaker? Ferrari!

Der deutsche Rennfahrer Schumacher ist Formel-1-Weltmeister. Das wäre den Italienern egal, hätte er dabei nicht ein italienisches Auto benutzt

ROM taz ■ Der römische Barbesitzer war schneller als die Ferrari-Mechaniker beim Pit-Stop. Im Fernsehen liefen noch die Bilder von der Schumi-Siegesfeier in Suzuka über den Schirm, da hatte er schon die große Glasvitrine von allerlei Kaffeegerümpel freigemacht. Wo gerade noch Illy-Tässchen und Espressopacks ihren Platz hatten, da entstand in Minutenfrist ein wahrer Ferrari-Devotionalienschrein. Eine italienische Trikolore neben der roten Firmenflagge, ein knallroter Regenschirm mit dem Symbol des Rennstalls, dem sich aufbäumenden Pferdchen, ein ebenso großer wie kitschiger Pokal, ein Rennautomodell aus Holz, daneben ein handgemaltes Schild: „Ferrari Campione del Mondo“.

Und Schumi? Kein Bild, kein Wort vom Helden auf dem improvisierten Altärchen. „Für mich hat Ferrari gewonnen“, winkt der Chef barsch ab, während er an der Kaffeemaschine hantiert, „Schumaker ist mir nicht sympathisch, und sein Fahrstil ist oft genug auch nicht gerade sportlich.“ Beifällig nicken die drei frühstückenden Rennsportexperten auf der anderen Seite des Tresens. Nicht viel freundlicher ist die Grand-Prix-Kurzzusammenfassung von RAI 2, die derweil im Fernsehen läuft. Gleich den Start habe Schumi vergeigt, als er sich trotz Pole-Position sofort von Häkkinen überholen ließ, so der Nachrichtensprecher. Aber das Ferrari-Team habe dann beim zweiten Boxenstopp mit seinem heroischen Einsatz noch das Ruder rumgerissen und Schumacher wieder zu Platz eins verholfen.

Doch nach dem Sieg konnte Schumi reichlich Popularitätspunkte sammeln. Gleich zu drei „Grazie“ in Folge reichte diesmal sein sonst recht dürftiges Italienisch, und bei der Siegerehrung versuchte der Kerpener sich als Dirigent, während die Ferrari-Mannen die italienische Nationalhymne schmetterten.

Solche Bilder mögen die Fans in Maranello und andernorts – nirgendwo gebärden sich die Italiener so freudvoll nationalistisch wie im Sport. Da hat nicht Schumi den Sieg eingefahren und auch nicht bloß ein milliardenschwerer Rennstall mit Fiat im Rücken. Nein, „noi siamo i campioni del mondo“, „wir“ sind die Sieger, und „wir“ dürfen endlich einen Schlussstrich unter die 21 mageren Jahre ziehen, die 1979 anbrachen, als Jody Scheckter den letzten Titel für Ferrari nach Hause fuhr.

Krieg in Palästina? Machtwechsel in Jugoslawien? Kann warten. Viel erfahren die Zuschauer eigentlich in den Viertelstundenberichten nicht, außer dass alles ziemlich emozionante war, „ein historisches Datum“ einfach, und dass viele prächtige Kerls am Sieg mitgewirkt haben. Dann schaltet die Redaktion doch nach Serbien. Es gibt Wichtiges zu melden: „Auch in Belgrad haben die Menschen heute Morgen das Formel 1-Rennen verfolgt.“ MICHAEL BRAUN

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