Weltmeister in der Drei-Liter-Klasse

Stefan Raskovsky ist kein Freund von Milch, schüttet sich aber drei Liter in 14,35 Sekunden in den Rachen. Warum?

MÖSBACH taz ■ Alfons Doll aus Mösbach hat in seinem Leben schon viel gesehen. Der 36-jährige Obstbaumeister war in Israel zur Exkursion und hat sich einen Kibbuz angeschaut, er war in Kreta und in Malta, wo er Urlaub machte. Die verrückten Dinge des Lebens allerdings scheinen nicht am Mittelmeer, sondern im Schwarzwald zu passieren. „Es ist Wahnsinn“, sagt Doll. „Manchmal glaubt man gar nicht, was es so alles gibt.“

Stefan Raskovsky heißt der Mann, der halb Mösbach verblüfft. Raskovsky ist 38 Jahre alt und bei den Dolls immer wieder als Helfer in der Landwirtschaft angestellt. In seiner Heimat, der Slowakei, arbeitet er als Installateur, kümmert sich um Heizungsröhren und Wasserleitungen. Richtig angetan hat es ihm aber eine andere, ihm eigene Röhre: die Speiseröhre. Seit rund 20 Jahren versucht er, so viel wie möglich, so schnell wie möglich in seinen Körper laufen zu lassen. Milch beispielsweise. „Damit“, sagt Raskovsky, und zeigt auf eine Vollmilchtüte, „habe ich einen Weltrekord aufgestellt.“ Um genau zu sein: 14,35 Sekunden benötigt er, um drei Liter Milch in seinem tiefsten Innern zu versenken.

Zwei Liter verschlingt er in fast 8, einen Liter in 3,37 Sekunden. Das Guinnessbuch der Rekorde zögerte nicht lange mit der Eilig-Sprechung und reihte den Milchmann in die Galerie der Schnell-Schlinger ein – als Weltmeister in der milchigen Ein-, Zwei- und Drei-Liter-Klasse.

Am liebsten geht Raskovsky über die Kurzdistanz, über einen Liter. Wer ihm bei der Arbeit zusieht, weiß warum. Zunächst knabbert er mit seinen Zähnen ein kleines Loch in die Milchtüte. Dann konzentriert er sich, er beugt sich und fällt wie Krümelmonster, das durchgeknallte Fastfoodtier aus der Sesamstraße, über die Milchtüte her, die er mit beiden Händen ausquetscht – während die Milch als Liter-Lawine in den Magen schießt.

Ist alles vorbei, bleibt nur ein kleines Röcheln, ein asthmatischer Husten und ein weißer Überrest auf dem wuchtigen Schnurrbart des Slowaken. So eindrucksvoll das alles sein mag, so problematisch ist es schließlich auch. „Ich würde es nicht jedem raten, das zu tun, was ich mache“, warnt Raskovsky. „Es ist auch ein Risiko dabei, es ist nicht ungefährlich. Wenn die Milch in die Luftröhre gerät, kann das ganz schön unangenehm sein.“

Allzu oft finden die milchigen Sturzbäche auch nicht statt. Den Kaffee morgens nimmt Raskovsky einfach schwarz zu sich, sonst bevorzugt er Bier und Wasser. Auf 25 Liter schätzt er seinen Milchverbrauch pro Jahr. Denn wer zu viel Milch trinkt, das weiß er, wird irgendwann einmal zu fett. Raskovskys Kampfgewicht beträgt 123 Kilogramm, und als Wampenmeister ins Guinnessbuch aufgenommen werden will er dann doch nicht.

Warum er sich aber ausgerechnet Milch ausgesucht hat und nicht Karottensaft? Der Ansatz, er könnte über die Muttermilch zur Vollmilch gekommen sein, bringt keine Aufklärung. „Alles war normal“, behauptet Raskovsky von seiner Kindheit. Auch dass er an der Mutterbrust hing wie ein Patient am Tropf, bestreitet er. „Ich wollte einfach nur einen Weltrekord aufstellen“, beteuert er, und dementsprechend viel hatte er zu schlucken. Käse, Wurst, Eier, alles Mögliche schickte er eilends die Speiseröhre hinab – ohne das gewünschte Resultat.

Doch Raskovsky verdaute alles, Rückschläge auch. Einmal auf den Geschmack gekommen, probierte er weiter, setzte seine Schnellstopfereien, seine kurzen Fress- und Saufexzesse fort, „aber erst mit der Milch hat es richtig gut geklappt“, sagt er, der – kaum in Mösbach angelangt – seine Qualitäten unter Beweis stellte und seinem Chef, Alfons Doll, mehrmals ein Video vorspielte, das seine Künste verewigt. Auch als Erntehelfer ist Stefan Raskovsky natürlich nicht schlecht. „Er macht gute Arbeit, er ist voll bei der Sache“, lobt Obstbaumeister Alfons Doll. Demnächst möchte sich Raskovsky übrigens an einem Wettbewerb im Pflaumenschnellessen beteiligen. ERIC SCHMIDT