Im Gegenwind des Wettbewerbs

EU-Kommissar Monti will staatliche Förderung für erneuerbare Energien und Umweltschutzmaßnahmen kippen – und die Macht seiner Behörde erweitern

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Der neue „Gemeinschaftsrahmen“ für staatliche Umweltschutzbeihilfen aus dem Haus von Wettbewerbskommissar Monti sorgt bei Umweltschützern und ökologisch engagierten Politikern für Aufregung. Er soll den Mitgliedsländern Rechtssicherheit darüber geben, welche Umweltsubventionen sie in Brüssel genehmigen lassen müssen. Die Kommission sieht Klärungsbedarf, weil als Folge aus den Klimaschutzverpflichtungen des Kioto-Protokolls nationale Beihilfen im umweltschonenden Energiesektor zunehmen.

Tatsächlich scheint nun die schizophrene Situation zu entstehen, dass die Europäische Gemeinschaft sich politisch zu Kohlendioxid-Reduzierungen verpflichtet hat, deren Umsetzung wettbewerbsrechtlich bedenklich ist. Das Monti-Papier stellt fest, dass die Subventionen neue, bisher selten verwendete Formen annehmen, „insbesondere Steuerermäßigungen oder Garantiepreissysteme“.

Da Garantiepreise für erneuerbare Energien ein wesentlicher Bestandteil des im April in Kraft getretenen deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sind, fürchten dessen Befürworter, es könnte in Brüssel gekippt werden. Darüber hinaus besteht die Sorge, mit der beihilferechtlichen Keule könnten den nationalen Regierungen auch andere Fördermöglichkeiten für Umweltschutzmaßnahmen aus der Hand geschlagen werden. Heute befasst sich der Umweltrat in Luxemburg mit dem Thema, morgen werden in Brüssel Fachleute der nationalen Finanzministerien mit Wettbewerbskommissar Monti diskutieren.

In der Debatte kommt das Unbehagen zum Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten die Geister, die sie riefen, vielleicht nicht mehr loswerden. Denn Artikel 87 EG-Vertrag sagt ganz klar: „Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verfälschen, sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.“ Zwar nennt der Vertrag zahlreiche Ausnahmen von dieser Regel. Die Wettbewerbsbehörde aber entscheidet, welche Ausnahmen sie gelten lässt und welche nicht. Damit erhält sie eine politische Macht, die so wohl nicht geplant war, als sich die Staats- und Regierungschefs auf diese Formulierung im Artikel 87 einigten.

Kritiker sehen in der Tatsache, dass jede Umweltbeihilfe in Brüssel geprüft werden muss, einen Widerspruch zu Artikel 6 EG-Vertrag, der verlangt, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes in allen der EU übertragenen Politikbereichen berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund will der deutsche SPD-Abgeordnete Hermann Scheer will Montis Gemeinschaftsrahmen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg daraufhin überprüfen lassen, ob er nicht den EG-Vertrag verletzt. „Die Wettbewerbsbehörde erkennt nur ein Primärrecht der Gemeinschaft an, nämlich das Wettbewerbsrecht“, kritisiert Scheer. „Damit maßt sie sich Allkompetenz für alle Politiken der Union an. Die staatlich vorsorgende Politik wird unter den Vorbehalt des Wettbewerbs gestellt.“

Die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer teilt die Bedenken des SPD-Kollegen. In einem offenen Brief an den EU-Wettbewerbskommissar Monti greift sie dessen Ansatz in der Energiepolitik scharf an: „Die Annahme der Kommission, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit Art. 87 EG-Vertrag unvereinbar sein könnte, ist nicht nur sachlich völlig unangebracht, sondern kommt dem Versuch gleich, den deutschen Gesetzgeber und die vom Gesetz betroffenen Wirtschaftszweige und somit Investoren für erneuerbare Energien zu verunsichern.“

Tatsächlich hat Monti nicht nur die alternativen Energien, sondern auch die deutsche Kohlesubvention im Visier. Damit begegnet er dem Vorwurf, seine Behörde sei blind, wenn es um Beihilfen für traditionelle Energieträger gehe. Auch in der Umweltschutzabteilung der EU-Kommission sähe man es lieber, wenn Subventionen für die Kohle abgebaut würden, statt die Chancengleichheit dadurch herzustellen, dass erneuerbare Energien ebenfalls bezuschusst werden.

Was die indirekten Wettbewerbsvorteile für die Kernkraft angeht, bleibt Energiekommissarin de Palacio allerdings merkwürdig wortkarg. Dafür betont sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass die Klimaschutzziele, die in Kioto vereinbart worden sind, ohnehin nur erreicht werden können, wenn mehr saubere Energie eingesetzt wird – und die sauberste Energie, daran lässt die spanische Energiekommissarin keinen Zweifel, ist für sie doch allemal die Kernenergie.