Kontinuierlicher Quantensprung

■ Der rot-grüne Senat einigt sich auf neue Praktiken in der Abschiebepolitik und lässt dadurch alles beim Alten

Die GAL ist nach neuerlichen Verhandlungen um die Hamburger Abschiebepolitik zufrieden, weil nun alles anders werden soll, und der Innensenator freut sich über das Gegenteil: „Der Senat hat die Praxis der Hamburger Ausländerbehörde heute bestätigt.“ Während die GAL einen „Quantensprung“ in der Abschiebepolitik sieht, weil deren Leitlinien nun in einer Bürgerschaftsdrucksache niedergelegt werden, kündigte Hartmuth Wrocklage (SPD) an, „den eingeschlagenen Weg“ fortzusetzen. Der Opposition schwant Böses: „Der rot-grüne Senat“, so die flüchtlingspolitische Sprecherin der Regenbogen-Gruppe Susanne Uhl, „hat eine Drucksache mit schlimmen Folgen beschlossen.“

Die Verhandlungen waren nötig geworden, nachdem die Ausländerbehörde ihre Praxis in den vergangenen Monaten rigide verschärft hatte. Zwar hatten die Koalitionspartner vorigen Sommer in einer „politischen Verständigung“ sieben Punkte festgehalten. Die waren jedoch so vage formuliert, dass sie den SachbearbeiterInnen in der Amsinckstrasse jeglichen Interpretationsspielraum beließen. Der sei nun beseitigt, so GAL-Fraktionssprecherin Antje Möller.

Hauptkritikpunkt der Grünen war insbesondere die Trennung von Familien durch Abschiebung einzelner Angehöriger, das überfallartige frühmorgendliche Abholen zum Flughafen sowie die zwangsweise Ausreise kranker Menschen. All diese Maßnahmen wurden nun im Grundsatz für legitim erachtet, nur die Voraussetzungen wurden konkretisiert. So heißt es etwa in der Vereinbarung, dass grundsätzlich davon abgesehen werden soll, Familien auseinander zu reißen. Aber eben nur grundsätzlich. Und stimmt der Leiter des Einwohnerzentralamtes zu, können auch weiterhin einzelne Familienmitglieder in Handschellen ausgeflogen werden, während andere in Hamburg verbleiben können.

Möller räumte ein, dass es „vermessen wäre zu sagen, die Trennung von Familien durch Abschiebung ist grundsätzlich aus der Welt“. Auch die Abschiebung von Flüchtlingen, denen ein ärztliches Attest Reiseunfähigkeit bescheinigt, wird es weiter geben. Die Koalitionspartner verständigten sich nur über den formellen Ablauf, vor allem das Hinzuziehen von AmtsärztInnen in Zweifelsfällen.

Als Erfolg verbuchte die GAL, dass ab sofort nicht mehr einzelne Familienmitglieder beim Termin in der Ausländerbehörde in Gewahrsam genommen werden, um dadurch die Ausreise der übrigen Angehörigen zu erpressen. Allerdings räumte der Senat gestern ein, dass die Inhaftierung beispielsweise des Vaters in der Regel ohnehin nicht zur Ausreise der Mutter mit den Kindern geführt habe.

Obwohl die ausgehandelte Grundlage gut sei, so Möller, „werden wir mit dem Innensenator weiterhin über Einzelfälle sprechen müssen“. Susanne Uhl fürchtet hingegen, dass das nicht passieren wird. Der rot-grüne Senat habe sich eine „Generalabsolution“ erteilt: „Das hätte eine große Koalition auch nicht anders gemacht.“ ee