Das Duopol gibt die Richtung vor

Eon und RWE ziehen als Marktführer Konsequenzen aus der Liberalisierung des Strommarkts. Nach dem Strompreisverfall werden unrentable Kraftwerke stillgelegt, Überkapazitäten damit abgebaut

BERLIN taz ■ Die beiden größten Stromkonzerne Deutschlands stellten gestern und vorgestern klar, wie sich der Energiemarkt in den nächsten Jahren entwickeln wird: weniger Kraftwerke, aber kaum weniger Atomkraftwerke.

Der Markt in Deutschland wird zunehmend einfacher einzuschätzen: RWE hat VEW gekauft, und Veba/PreussenElektra verschmolz mit Viag/Bayernwerk zu Eon. Hinter diesen beiden Riesen kommt eine Weile nichts und dann viele kleinere Erzeuger, die die Großen ängstlich beäugen. RWE AG ist der größte Stromlieferant in Deutschland. 1999 hat das Essener Unternehmen laut Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) 209 Milliarden Kilowattstunden Strom verkauft und liege mit einem Vorsprung von 13 Milliarden Kilowattstunden knapp vor Eon. Die drittplatzierte Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat demnach mit 55 Milliarden Kilowattstunden weit weniger abgesetzt als die Spitzenreiter.

Die beiden Großen geben also die Richtung vor, und die heißt: Unrentable Kraftwerke werden stillgelegt. Davon gibt es eine Menge, denn in Deutschland existiert eine gewaltige Überkapazität. Selbst mit den vorgeschriebenen Reserven dürfte etwa ein Fünftel aller Kraftwerksleistung, über 20.000 Megawatt, überflüssig sein. Das entspricht in etwa der gesamten Leistung aller 19 deutschen Kernkraftwerke – und das auch noch am Tag mit dem höchsten Verbrauch des Jahres gerechnet. Offiziell sprechen die Konzerne in Deutschland nur von 10.000 Megawatt Überkapazität. Höhere Zahlen wären ein Eingeständnis für die Verschwendung von Stromgebühren in den Jahren vor der Liberalisierung des Strommarktes.

Doch die Atomkraftwerke bleiben weitgehend verschont von der kommenden Stilllegungsorgie. RWE-Chef Kuhnt zählte gestern auch das AKW Mülheim-Kärlich bei seinen Streichbeschlüssen auf. Der 1.200-Megawatt-Reaktor am Mittelrhein war jedoch bereits vor Gericht gescheitert. Die anderen RWE-Atommeiler Biblis A und B sowie Gundremmingen B und C bleiben. 2.700 Megawatt Kraftwerksleistung wird hingegen an Kohle- und Gasturbinen vom Netz genommen. Es sind diejenigen mit den höchsten Erzeugungskosten pro Kilowattstunde Strom.

Eon hatte am Montag ähnliche Zahlen präsentiert: 4.800 von 30.000 konzerneigenen Megawatt Leistung werden eingemottet oder ganz stillgelegt, vor allem Kohlekraftwerke des ehemaligen Bayernwerks, je ein Gas- und Braunkohleblock in Niedersachsen und im Jahr 2003 das alte AKW Stade an der Elbe mit seinen 640 Megawatt.

Die Kraftwerke sind vor allem deshalb unrentabel, weil der Preis für die Kilowattstunde europaweit gefallen ist – Experten sprechen teilweise von nur noch 3 Pfennig pro Kilowattstunde im freien Handel zwischen den Konzernen. Seit der Liberalisierung des Strommarktes kaufen Großkunden ebenso wie Stromkonzerne gerne beim billigsten Anbieter. Auch wenn der freie Handel keine zehn Prozent des verbrauchten Stroms ausmacht, ist er doch der Maßstab für die Preise.

Der Gewinn eines Stromkonzerns kommt denn derzeit auch weniger aus der Erzeugung als aus dem Transport des Stroms: Wenn zum Beispiel Windkraftstrom durchgeleitet werden soll, werden je nach Netzbetreiber zwischen 14 und 21 Pfennig je Kilowattstunde fällig. Das bringt mehr als noch das günstigste Kraftwerk. REINER METZGER