www.Menschenfischer.de

■ Für die Bremische Evangelische Kirche hat Martin Luther das Internet erfunden / Am 30. Oktober geht sie erstmals mit einem Gottesdienst online: www.kirche-bremen-live.de

Funktioniert der göttliche Segen auch im virtuellen Raum? Oder geht er irgendwo zwischen den vielen bits und bytes verloren? Fragen wie diese bewegen derzeit die Bremische Evangelische Kirche (BEK). Am 30. Oktober wagt sie die Probe aufs Exempel. Dann feiern die hiesigen Protestanten den ersten Internet-Gottesdienst ihrer Geschichte – getreu dem Motto „Der Geist weht, wo er will“ (Johannes 3,8). Ab 19 Uhr werfen die Bremer „Menschenfischer“ (Jesus von Nazareth) in der Findorffer Martin-Luther-Kirche ihr elektronisches Netz aus.

Schon jetzt kann sich die Internet-Gemeinde unter www.kirche-bremen-live.de an den Vorbereitungen beteiligen. Man darf sich wünschen, welche Songs („My Father's house“ der Gospel-Chor singen wird, es gibt die Möglichkeit, Psalm 31 auf eigene Weise zu interpretieren. Die User werden aufgerufen, sich an der Predigtarbeit zu beteiligen („Glaube live“). Persönliche Fürbitten sind ebenfalls als link im Angebot – wenn auch unklar ist, auf welchem energetischen Pfad sie ihr Ziel erreichen. Fest steht, dass der einstündige Gottesdienst am 30. Oktober via webcam auf die heimischen Bildschirme gelangen wird.

Warum die Evangelische Kirche (www.kirche-bremen.de) jetzt auch mit ihrer zentralen religiösen Institution ins Netz geht, wird ebenfalls auf der taubenblauen web-page verraten. Pastor Wolfgang Konukiewitz von der Martin-Luther-Kirche etwa erkennt „erstaunliche strukturelle Parallelen“ zwischen Internet und einem neuen Glaubensverständnis: unabhängig von Institution und Tradition, demokratischer und subjektiver. Damit spitze sich eine Tendenz zu, für die bereits Martin Luther gegen die damalige katholische Kirche gekämpft habe. Siehste! Nicht umsonst findet der online-Gottesdienst am Vorabend des Reformationstages statt. Um die neue virtuelle Pluralität noch zu toppen, sollen möglichst viele kleine Luthers in jener Stunde ihre Thesen „anschlagen“ können. „Forum“ heißt das dann auf Protestantisch.

Doch im Ernst: Den Versuch, die reale Glaubensgemeinschaft durch eine virtuelle zu ersetzen – zumindest für eine Stunde – kann man auch als letzte Konsequenz protestantischer Entsinnlichung interpretieren. Spannend ist auch die Frage, ob es in Zeiten überbordender Informationsströme überhaupt noch möglich ist, so etwas wie „Wahrheit“ zu finden. Natürlich geht es auch darum, mit modernen Methoden neue Kundschaft zu aquirieren – in der Nachfolge von Gottesdienst-Übertragungen in Radio und TV. An wen die Organisatoren des online-Gottesdienstes – Pastoren und „Medienfachfrauen“ der BEK – in ers-ter Linie denken, verrät schon das zentrale Symbol der web-page: Ein rundlich-verschlungenes Kreuz, so trendy, als sei es gerade von einer Pril-Flasche abgezogen worden. Eigentlich müsste es auch T-Shirts zum Gottesdienst geben.

Was sagen die Bremer Katholiken zu den modischen Aktivitäten der protestantischen Glaubensbrüder und -schwestern? Sprecher Wilhelm Tacke ist erst einmal „begeistert“. Vor allem die Idee, das Kirchenvolk zu beteiligen, gefällt ihm, auch wenn die „vox populi nicht immer der vox dei“ entspreche. Wenn das der Papst hört!

Tacke, dessen „kleiner Verein“ in Bremen gottesdienstlich noch nicht ins Netz gegangen ist und dieses auch nicht vorhat, ist vor allem die „Gleichzeitigkeit“ der Übertragung wichtig. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass die Protes-tanten im TV auch schon mal aufgezeichnete Gottesdienste gesendet haben sollen. Und der heilige Geist gehört schließlich nicht in die Konserve. hase