Diepgen hat das letzte Wort

Nach dem Willen des Abgeordnetenhauses sollte der frühere sowjetische Stadtkommandant Nikolai Bersarin wieder Ehrenbürger Berlins werden. Doch der Regierende setzte sich darüber hinweg

von PHILIPP GESSLER

Eberhard Diepgen ist kein Ehrenmann. Nachdem das Abgeordnetenhaus den Senat aufgefordert hatte, den 1992 von der Ehrenbürgerliste gestrichenen früheren sowjetischen Stadtkommandanten Nikolai Bersarin wieder zum Ehrenbürger zu erklären, teilte der Regierende Bürgermeister dem Parlament überraschend mit, der Senat sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Lapidar bittet Diepgen die Abgeordneten, ihren Beschluss „damit als erledigt anzusehen“.

Nach einer lebhaften Debatte hatte das Landesparlament mit den Stimmen von SPD, Bündnisgrünen und PDS, aber gegen das Votum der CDU-Abgeordneten am 13. Juli beschlossen, den ersten sowjetischen Kommandanten von Gesamtberlin nach dem Krieg wieder in die Ehrenbürgerliste aufzunehmen. Der Stadtkommandant hatte die ehemalige Reichshauptstadt in den ersten sechs Wochen nach dem 8. Mai 1945 verwaltet, ehe er bei einem Motorradunfall ums Leben kam.

Nach dem Fall der Mauer wurden die beiden Ehrenbürgerlisten von Ost- und Westberlin zusammengefasst. Der Ostberliner Ehrenbürger Bersarin wurde allerdings von der gemeinsamen Liste gestrichen. Begründung: Seine Verdienste entsprächen nicht den Richtlinien für diesen Ehrentitel. Ihm war vorgeworfen worden, als Befehlshaber im Baltikum die Deportation von fast 50.000 Menschen befohlen zu haben.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieser Vorwurf falsch war, setzten sich Abgeordnete von SPD, PDS und Bündnisgrünen für die Wiederaufnahme Bersarins in die Ehrenbürgerliste ein. Sie verwiesen vor allem darauf, dass er sich trotz der noch frischen Kriegsgräuel der Deutschen in der UdSSR vorbildlich für die Berliner eingesetzt habe.

Diepgen argumentiert dagegen in seiner das Parlament brüskierenden Entscheidung wolkig, dass „zahlreiche Berliner nicht nur positive Erinnerungen“ an ihn hätten und dass andere Kommandanten ja auch nicht in dieser Weise geehrt worden seien.

Die bündnisgrüne Kulturexpertin Alice Ströver wertete die Entscheidung Diepgens als Zeichen seiner „Betonkopfigkeit“ und „unmöglich“. Sie kündigte an, dies im Parlament anzusprechen. Ihre PDS-Kollegin Gesine Lötzsch sprach von einem „Affront“, die der Senat korrigieren müsse: „Das ist ein Rückfall in den Kalten Krieg.“