Gegen aufgepfropften Politkoloss

betr.: „Sachlichkeit statt Populismus“ (Direkte Demokratie verhindert parteipolitische Spielchen), taz vom 6. 10. 00

In seiner Analyse, warum die Dänen den Euro abgelehnt haben und was das für Europa bedeutet, hat Carsten Schymik einen Punkt übersehen:

Gerade das linke Spektrum der Nej-Stimmenden hat nicht per se gegen ein ökonomisches und staatliches Zusammenwachsen der EU gestimmt, sie haben gegen die gegenwärtigen Strukturen gestimmt. Holger Nielsen von der SF (Sozialistik Folkeparti) wollte nach eigenen Worten mit dem Nej wieder eine Diskussion über ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ anstoßen. Pikanterweise eine Idee, die hierzulande von Konservativen erst geboren und dann aus Parteiräson gemeuchelt worden ist.

Hintergrund: Die Zusammenarbeit der nordischen Staaten (Island, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und die autonomen Teile Dänemarks, Färöer und Grönland) hat schon bisher de facto ein „Neben-Europa“ dargestellt, das nicht nur Nicht-EU-Mitglieder wie Norwegen und Island integriert hat, sondern auch eine wesentlich unbürokratischere und intensivere Integration hervorgebracht hat, als die EU es in absehbarer Zeit leisten kann. Diese Integration findet auf kulturellem Gebiet ebenso wie in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit statt und gipfelt in einer engen Abstimmung der Währungspolitik dieses Raumes. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur allzu verständlich, wenn die Dänen weder ihr Wohlfahrtsstaat-Modell noch ihren Kontakt zu leistungsfähigen Nicht-EU-Staaten wie Norwegen einer EU opfern wollen, die unabschätzbare ökonomische Risiken eingeht, indem sie osteuropäischen Staaten gegenüber alle möglichen Versprechungen macht. Wie das letztlich ausgehen kann, zeigt die anhaltende ökonomische Missgunst zwischen Ost und West im vereinten Deutschland.

Bezogen auf Schymikes Thema der Volksabstimmungen über Europa bedeutet dies nichts anderes, als dass die Menschen nur dem zustimmen werden, was sie selbst erleben können – aber keinem aufgepfropften Politkoloss, an dessen Brüsseler Busen Bangemann und Co. aufgehen wie Schupfnudeln, dessen Bewohner aber keine ökonomische und soziale Sicherheit mehr haben.

ROLAND BÖSKER, Hamburg