die stimme der kritik
: Betr.: Sinkende Schiffe

Ratten sind Schadnager. Und nichts anderes

In Toronto, Kanada, und höchstwahrscheinlich auch in anderen englischsprachigen Surroundings nennt man die niedlichen kleinen Eichhörnchen, die den ganzen Tag, mit ihren lustigen buschigen Schwänzen wedelnd, auf Bäumen turnen und wahlweise Nüsse und Eicheln knacken, nicht niedliche kleine Eichhörnchen, sondern tree rats. Baumratten. Denn dort ist man gar nicht so ein großer Eichhörnchen-Fan, wie sich das eine begeisterte Deutsche in ihrem jugendlichen Leichtsinn vorstellt. Übrigens, da sind ja auch noch diese mutierten Vögel, die vor Urzeiten mal als Friedenssymbole herhalten durften (bevor sie flatternd, scheißend, inflationär und zeckenverteilend sämtliche zivilisierte Behausungen heimsuchten), die heißen nicht nur in englischsprachigen Zusammenhängen gerne mal sky rats, Himmelsratten. Natürlich nur bei den Bewohnern der zivilisierten Behausungen. Peters-, Markus- und sonstige Platztouristen sind nach wie vor begeistert vom frechen kleinen Flattervieh.

Und schon sind wir beim Thema: Berlins mit interessanten neuen Bioformen bevölkerte Müll-Hinterhöfe werden angeblich gerade von einer Rattenplage in ihrem empfindlichen Gleichgewicht gestört. Da fragt man sich doch: In welchem Land sind die denn eigentlich wohlgelitten? In welchem Land tippt gerade eine Kolumnistin fassungslos die Zeilen ein, dass die „niedlichen kleinen Nager“ voller Ekel behandelt werden? In keinem. Nicht mal in China, wo sie angeblich als Delikatesse gelten. Ratten sind nämlich auf der ganzen Welt ekelig. Und trotz der ehrenrührigen Muppet-Versuche, Symphatieträger in Rattenform in fast jeden der Filme einfließen zu lassen (Rhonda Ratte, die nagende Reporterin zum Beispiel), werden sie nie in die Kuscheltierproduktion gehen. Genauso wenig wie Schaben übrigens. Obwohl man sich angesichts der flachen Form doch fragen muss, warum noch keine weichen Kissen oder luftundurchlässige Säuglingsunterlagen oder bekloppte Autosonnenblenden (Sie wissen schon, diese unabkömmlichen Katzenköpfe) mit Schabenkonterfei hergestellt wurden.

Neulich habe ich jemanden kennen gelernt, der genau wie ich früher, als junger, unwissender und der Sprache noch nicht vollständig mächtiger Hüpfer, immer Chinin mit Chitin verwechselt und sich darum vorgenommen hat, im Alter möglichst oft und viel Gin Tonic zu trinken. Was ich jetzt (im Alter) auch tue. Denn damit überlebt man ja sogar den Atomkrieg. JENNI ZYLKA