Nicht ohne meine Speicherheizung

Eine neue Energiesparverordnung könnte Durchlauferhitzer und Nachtspeicheröfen aus allen Neubauten vertreiben. Die Stromlobby fürchtet um ihren Absatz und macht Druck auf die Regierung. Umweltverbände fordern Vorrang fürs Energiesparen
von MATTHIAS URBACH

Wer sie kennt, hasst sie: Nachtspeicherheizungen. Man kann sie nachts nicht richtig ausstellen, weil sie ja mit Nachtstrom aufgeheizt werden müssen. Bei plötzlichen Kälteeinbrüchen kriegt man sie nicht sofort warm, sondern muss die nächste Nacht abwarten. Sie verursachen in den eigenen Wänden ein trockenes Klima, sind sperrig, meist hässlich. Einige Bundesbürger mussten ihre Nachtspeicheröfen in den Achtzigern gar rausreißen, weil sie asbestverseucht waren.

Nur einer liebt sie: Die Stromwirtschaft. Denn über Nachtspeicherheizungen können die Konzerne ihre nächtlichen Überschüsse an Atomstrom absetzen. Und deshalb machen sie derzeit Druck auf die Regierung, die neue Standards für energiesparenden Häuserbau setzen will. Und weil Heizen mit Strom nun mal nicht energiesparend ist, will das Bundesumweltministerium Stromheizungen und elektrische Warmwasserbereitung aus den künftigen Wohnungs-Neubauten heraushalten.

Gehör findet die Stromlobby dagegen beim Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, ehemals selbst Manager in Stromkonzernen. Er blockiert derzeit die Verabschiedung der geplanten Energieeinsparverordnung, kurz: EnEV.

Die Aufregung der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) ist nicht unverständlich: Sieben Prozent des gesamten Stromabsatzes werden beim Heizen von Wohnung und Wasser mit Strom verbraucht. Private Stromkunden zahlen im Schnitt ein Viertel ihrer Rechnung allein fürs elektrische Heizen in Nachtspeicher, Boiler und Durchlauferhitzer. Die Mehrheit der Bundesbürger heizt mit Gas und Öl – preiswerter als mit Strom.

Die Stromwirtschaft will diesen Marktanteil natürlich nicht verlieren und spricht von einem „wirtschaftlichen Verbot der Hauswärmetechnik“ durch die neue Verordnung. Das käme tatsächlich für Neubauten heraus, wenn die Regierung ihren „Primärenergieansatz“ ernst nimmt. Der besagt, dass beim Bewerten des Energieverbrauchs einer Wohnung nicht nur die Menge gewertet wird, die direkt im Haushalt verbraucht wird (die so genannte „Endenergie“), sondern auch die Energie, die aufgewandt werden musste, um die Endenergie herzustellen.

Das schlägt besonders beim Strom zu Buche: Um eine Einheit Strom herzustellen, muss man knapp das Dreifache an primärer Energie, wie Kohle, aufwenden. Gas und Öl sind dagegen primäre Energiequellen. Beim Verbrauch im Haus muss bloss der Aufwand für den Transport und Raffination berücksichtigt werden: Dort setzt man einen Faktor von 1,1 an.

Mit dem EnEV will die Regierung nun den maximal erlaubten Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche neu festsetzen. Zwar kann man eine schlechtere Heizung noch durch bessere Wärmedämmung ausgleichen, aber das geht schnell ins Geld. Nach Berechnungen der VDEW wäre das für Nachtspeicherheizungen nur wirtschaftlich möglich, wenn auf den Stromverbrauch zum Ermitteln des Primärenergieverbrauchs statt des Faktors 3 bloß der Faktor 1,65 aufgeschlagen würde.

Im aktuellen EnEV-Entwurf kam das federführende Umweltministerium der Stromlobby etwas entgegen und setzte einen Primäranergiefaktor von 2,3 für den Nachtspeicherstrom an – auch wenn das sachlich völlig unlogisch ist. Den Energieversorgern aber reichte das immer noch nicht. Sie machten weiter Druck und nahmen erneut das Wirtschaftsministerium für sich ein. Das blockierte nach Informationen der taz die Fertigstellung der Verordnung. Höchstens ein Faktor von 1,8 soll es nun sein, verlangt Müllers Ministerium. Am Freitag treffen sich die Staatssekretäre von Umweltministerium, Bauministerium und Wirtschaftsministerium, um diesen Streit endgültig zu klären.

Während das Umweltministerium höchstens für fünf Jahre einen niedrigeren Faktor akzeptieren will, verlangt Müllers Ministerium diese Ausnahmeregelung für mindestens zehn Jahre.

Das Gefeilsche bringt nun wieder die Umweltverbände auf die Palme. Man könne nicht vorne Primarenergieverbrauch werbewirksam reinschreiben und das hinten „in den Faktoren wieder aufweichen“, kritisiert Werner Neumann vom Klima-Bündnis, einem Zusammenschluss von 900 europäischen Gemeinden. „Alle Fachleute, auch große Teile der Wirtschaft, lehnen einhellig solche Spielchen ab“, sagt Klaus Traube, Energiesprecher des BUND, „nur die Elektrizitätswirtschaft kämpft dafür“. Heizen sei der bei weitem größte Sektor des Energieverbrauchs, so der emeritierte Energieprofessor. Der deutsche Energieverbrauch könne, nehme man besseren Neubau und Albausanierung zusammen, um ein Fünftel sinken. „Diese Möglichkeit werde verschenkt.“ Denn auch in anderen Bereichen der EnEV, etwa bei den Standards von Wärmedämmung im Altbau, würden gute Ansätze des Entwurfes in den Detailregelungen aufgeweicht. Dabei vermissen die Umweltverbände BUND und Klima-Bündnis nicht nur eine konsequentere Verordnung „als Peitsche“, sondern genügend Zuckerbrot.

Das von der Regierung im Zusammenhang mit der EnEV angestrebte Altbausanierungsprogramm soll nach den Vorstellungen des Kanzlers und des grünen Parteirats mit 520 Millionen Mark jährlich ausgestattet werden. Das reiche nur für vier Prozent das Altbaubestandes in fünf Jahren, kritisieren die Ökoverbände. Sie fordern mindestens eine Milliarde Mark pro Jahr. Dagegen sind innerhalb der Regierung noch nicht einmal die 520 Millionen in trockenen Tüchern: Finanzminister Eichel (SPD) würde den Förderbetrag am liebsten jedes Jahr neu festsetzen.

Immer donnerstags in der taz: Alles zur Ökostrom-Kampagne. Siehe auch unter www.taz.de

Hinweise:Private Kunden zahlen im Schnitt ein Viertel ihrer Rechnung fürs elektrische Heizen Ökoverbänden fehlt nicht nur genug „Peitsche“, sondern auch das Zuckerbrot