Alle eine große Familie?

Arbeitgeberchef Hundt lehnt erleichterte Betriebsratswahlen ab. „In Unternehmen, wo jeder den Chef kennt, wollen die Leute häufig keinen Betriebsrat.“ Umstrittene Reform

BERLIN dpa/taz ■ In der Wirtschaft formiert sich die Ablehnungsfront gegen die von der Regierung geplante Novellierung der Betriebsverfassung. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) auf, die Pläne fallen zu lassen oder sie im Interesse der Wirtschaft umzugestalten. Sie gingen „in eine grundsätzlich falsche Richtung“, sagte Hundt. Die Reformpläne müssten im „Bündnis für Arbeit“ zum Thema werden.

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser stimmte in die Kritik ein: „Hier soll in die Unternehmen hineinregiert werden.“ Hundt sagte, er sehe aus seiner betrieblichen Praxis „keinerlei Notwendigkeit“ für eine Veränderung der bestehenden Regelungen, die er als „durchaus positiv“ bewertete. Kompromisslos lehnte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Forderungen der Gewerkschaften nach mehr Mitbestimmung ab, da in Deutschland bereits das international höchste Niveau an Mitbestimmung existiere.

Hundt plädierte dafür, die umstrittene Reform der Betriebsverfassung „in jedem Fall“ im „Bündnis für Arbeit“ zu erörtern. Dies lehnen die Gewerkschaften ab. Es müsse alles versucht werden, dort zu einer „einvernehmlichen Regelung“ zu kommen, die „dem Standort Deutschland nicht schadet“. Wenn die Regierung schon an der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes festhalte, sollte sie wenigstens in eine „grundsätzlich andere“ Richtung umsteuern.

Detailkritik äußerte Hundt an dem Plan, die Wahl von Betriebsräten in kleinen oder ausgelagerten Firmen zu erleichtern und schon Betriebsratswahlen durch eine einzige Versammlung zuzulassen. Dies öffne Manipulationen durch radikale Minderheiten Tür und Tor. „In Betrieben, wo jeder Arbeitnehmer persönlich den Arbeitgeber kennt und seine Anliegen direkt mit dem Arbeitgeber regelt, besteht eben häufig nicht der Wunsch und der Bedarf nach einem Betriebsrat.“

Dagegen plädierte er für die Straffung und zeitliche Befristung von Mitbestimmungsverfahren und forderte „mehr Spielraum in den Betrieben“ zur Absicherung betrieblicher Vereinbarungen. Auch Kannegiesser forderte, die Pläne Riesters müssten vom Tisch. „Ich halte das für sehr gefährlich. Es könnte wie ein kalter Guss für die Dynamik in den Betrieben und auf dem Arbeitsmarkt wirken“, sagte der neue Gesamtmetall-Präsident der in Hannover erscheinenden Neuen Presse.

In Unternehmen mit 21 bis 100 Beschäftigten verfügen nur 28 Prozent über einen Betriebsrat. Von den 50 Unternehmen im Nemax, dem Börsenindex des Neuen Marktes, haben nur neun einen Betriebsrat. BD