Israelisch-palästinensische Partner

■ Friedensinstitut aus mittlerem Osten stellte sich auf Teerhof vor

Sami Adwan hat in der Intifada gekämpft und ist dafür ins Gefängnis gekommen. In ein israelisches Gefängnis, natürlich. Dan Bar On hat im Sechstagekrieg auf israelischer Seite gekämpft, gegen die arabische Bevölkerung, natürlich. Seit 1998 arbeiten der palästinensische Professor für Erziehungswissenschaften und der israelische Psychologieprofessor gemeinsam als Direktoren des „Peace Research Institute of the Middle East“. Die beiden sind inzwischen schon lange befreundet.

Doch Dan Bar On kam alleine nach Bremen auf den Teerhof, um vor Gästen der „Friedrich Ebert Stiftung“ und der „Bremer Freunde Israels“ über „PRIME“ zu sprechen. „Ich finde es grausam, dass Sami gerade unter diesen Bedingungen nicht aus den Autonomiegebieten heraus gekommen ist“, so Dan Bar On. Zeige die aktuelle Situation doch, wie notwendig ihre Arbeit sei, die sie in den letzten zwei Wochen nur unter akuter Gefährdung Sami Adwans weiterführen konnten. Sie selbst haben miteinander in gewisser Weise nachvollziehen müssen, was Kernpunkt des Projektes „To reflect and trust“ ist, das Dan Bar On seit 1990 leitet. Hier begegnen sich Kinder von Nazi-Tätern und Nazi-Opfern ein Mal im Jahr für fünf Tage, um anhand „objektiver“ historischer Daten einander die persönliche Geschichte zu erzählen. Und die veränderte sich im Laufe der Zeit mehrfach, „denn die Leute gehen inzwischen zu den Treffen in ihre Gesellschaften zurück. Dann gibt es dort Widerspruch. Den bringen die Leute mit ihrer Geschichte mit, sie wird widersprüchlich.“

Inzwischen arbeiten in diesem Projekt auch irische Gruppen miteinander, Südafrikaner und eben auch Israelis mit Palästinensern. „Es ist für jüdische Israelis sehr schwer, ihr Auch-Täter-Sein anzuerkennen. Es ist viel einfacher, sich in die historische Opferrolle der Juden fallen zu lassen, die seit der Shoah alles Handeln als moralisch gut legitimieren soll“. Dan Bar On prägte den Begriff der „displaced aggression“: Ehemalige Opfer setzen sich nicht mit ihren Wunden und Rachegelüsten auseinander. Ihre Agressionen wenden sie nicht gegen die Täter, sondern auf andere, werden also selbst zum Täter. Dieser Prozess aber wird verleugnet und die eigene Täterschaft wird auch noch auf die Opfer projiziert, um eben halt selbst somit legitimes Opfer bleiben zu können. Wahrlich verrückt. Dieses persönliche Erleben präge auch die Psyche des Kollektivs und damit die aktuelle politische Situation: Israelis tun den Palästinensern tendenziell an, was ihre Väter und Großväter erlebt haben, und beschuldigen die Araber zugleich der Aggression, um das eigene Handeln damit zu legitimieren.

Die Wurzeln des Konflikts reichen für Dan Bar On in die Zeit vor der Gründung Isreals. Nach ihnen gräbt er in einem „All History Projekt“, also nach den Erinnerungen an palästinensische Souveränität und jüdische Demütigung. Dan Bar On zeigte sich enttäuscht, dass die Politiker das „PRIME“ weder schätzten noch in Anspruch nähmen. „Bei ihren letzten Treffen vor Ausbruch der Gewalt haben Ehud Barak und Yassir Arafat sich sehr persönliche Geschichten erzählt. Ich frage mich: Was ist passiert, dass das so einen Bumerang-Effekt hatte? Und ich meine: Sie waren mit ihrem Erleben der Widersprüche ohne Begleitung.“

Nur wenn solche persönlichen Prozesse gelängen und in die politische Praxis eintröpfelten könne es eine Friedensperspektive geben, so Bar On.

Marijke Gerwin