Danke, Österreich!

Die österreicherische Seele kommt nach dem triumphalen 1:1 gegen Spanien in Bedrängnis, weil die Nationalmannschaft plötzlich so verdächtig deutsch spielt

BERLIN taz ■ Österreich ist ein stolzes Land. Der Westteil der Republik hält sich zugute, das fehlende – manche meinen: wirbellose – Bindeglied beim Übergang des Bayern vom Menschen zu sein. Der Ostteil inklusive Wien strotzt geradezu vor nationaler Emphase, die so tief geht, dass eine Grundfeste austriakischen Seins, die Fußballnationalmannschaft, wie die Schildkröte den Atlas das gesamte Ausmaß der Vaterlandsliebe zu tragen hat.

Vor dem WM-Qualifikationsspiel Mittwochabend gegen Spanien, das im Ernst-Happel-Stadion sensationell 1:1 endete, erwarteten bzw. erhofften nicht weniger als 57 Prozent der Älpler ein „Desaster“. 0:9 und 1:3 hatte man zuletzt gegen die Spanier verloren, nicht aber das lätscherte Selbstbild. Die Torflut hatte die devoten Seelen umspült und gesalbt. Ein Land gefiel sich in selbstverliebter Destruktion – die natürlich kein schnelles Ende fand, eben dank des Nationalteams. Beim ersten Qualifikationsspiel am vergangenen Samstag in Liechtenstein schoss man ein müdes Tor und holte dennoch mit dem triumphalen 1:0 drei Punkte heim ins Land.

Nun spielte Österreich im ausverkauften Praterstadion und remisierte, wie man in den Redaktionsstuben Wiens so schreibt, nach einem Türl von Michael Bauer. Warum die Erwartungen zwischen Mürzzuschlag und Braunau nicht ganz erfüllt wurden, liegt wiederum am bösen Rivalen Deutschland. Obwohl zutiefst verfreundet, glaubt der kleine Nachbar, Tugenden der Teutonen klauen zu müssen: Kampfkraft, Laufbereitschaft, Grasnarbenterror. Stramme Muttersprachler schlagen die Hände überm Kopf zusammen, wenn sie sich die billige Anbiederung vor Augen führen.

Es konnte halt doch nicht so weitergehen. Im Internet hat man schon die Ursache für die schlechten Resultate gefunden: „Das Problem ist, wenn die Spieler die Medien lesen, müssen sie ja glauben, sie sind die schlechtesten der Welt – und genau dann passiert das, wovor schon der große Ernst Happel immer gewarnt hat – dass man mit einem Beistrich in der Hose einläuft“, schreibt ein Chatter.

Übungsleiter Otto „Maximale“ Baric versuchte auf die Iberer in landestypischer Manier einzustimmen – indem er die freiheitliche Folkloristik als Hintergrund seiner Ausführungen wählte. Die Spanier gewönnen nur, sagte er, weil sie Freistöße schinden, indem sie „wie reife Birnen“ vor dem Strafraum niederfielen. Ein Kicker wusste zu berichten, die schössen „Tore aus dem Nichts“. Diesmal traf Ruben Baraja heimtückisch ins Netz.

Ösiland hatte dem immerhin einiges entgegenzusetzen, wie dem Standard online zu entnehmen ist: Nämlich „ideale Loch-Passis“ von Anderl Herzog, eine „hoch motivierte und kämpferische Auswahl“ sowie „verbissen geführte Zweikämpfe“. Am Erfolg rütteln konnte nicht einmal ein „schusseliger Mayrleb“ und eine „Doppel-Latte von Baraja“.

Österreich ist mit diesem Spiel wieder in der Mitte Europas angekommen. Es geht aufwärts. Weiter so. MARKUS VÖLKER