Gefährliche Gesprächspartner

Die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, gibt der rechten „Jungen Freiheit“ ein Interview und warnt darin vor Philosemiten: „Eine sehr gefährliche Gruppe“. Berliner Gemeindechef Andreas Nachama: „Das ist ein Skandal“

von PHILIPP GESSLER

Die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) bringt nach dem Auswärtigen Amt nun auch den Zentralrat der Juden in Deutschland in die Bredouille: Die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde in München und Vizepräsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, gab dem Berliner Blatt ein langes Interview. Der Jungen Freiheit warf zuletzt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz 1999 vor, bei ihr seien „Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen festzustellen“. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel (SPD), war Ende September öffentlich stark in die Kritik geraten, da er der JF ebenfalls ein Interview gegeben hatte.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, hatte Zöpel scharf kritisiert. Empört hatte er geäußert, das Interview des Staatsministers mache alle Bekenntnisse der Bundesregierung zu den Problemen der Ausländerfeindlichkeit, des Rechtsradikalismus und des Antisemitismus „zu bedeutungslosen Lippenbekenntnissen“. Zöpel habe damit das „Zentralorgan der Dummheit“ aufgewertet.

Bei der Sitzung der Berliner Repräsentantenversammlung, des Gemeindeparlaments, am Mittwochabend hatte Nachama das Interview Knoblochs mit der JF als einen Skandal bezeichnet, der kaum zu überbieten sei. Der frühere Zentralratspräsident Ignatz Bubis hätte sich im Grabe umgedreht, so der Chef der größten Jüdischen Gemeinde der Bundesrepublik. Die Repräsentanten wollten beim Zentralrat gegen das Interview Knoblochs protestieren. Einige empörten sich darüber, dass der Vizepräsident des Zentralrats, Michel Friedman, Zöpel nach seinem Interview den Rücktritt nahegelegt habe. Die JF rühmt sich auf ihrer Webpage, sie habe auch schon Friedman interviewt.

Nach Auskunft aus der JF-Redaktion ist das Knobloch-Interview vor etwa fünf Tagen geführt und schnell autorisiert worden. Der Vizepräsidentin habe sich der Interviewer deutlich als JF-Redakteur vorgestellt. Es habe bloß einer einfachen telefonischen Anfrage bedurft, um den Interviewtermin zu bekommen.

Wie bei dem Interview mit Zöpel ist auch in dem Gespräch mit Charlotte Knobloch die Tendenz erkennbar, der Zentralratsvize Bekenntnisse zur Nation zu entlocken. Auf Unverständnis und Entsetzen stieß unter den Berliner Repräsentanten vor allem eine Passage des Interviews. Darin wird sie gefragt: „Sehen Sie denn keinen Missbrauch des Holocaustgedenkens und der Aussöhnung in unserer Politik, Stichwort ‚Vorzeigejude‘?“ Die Antwort: „Aber sicher! Die Philosemiten sind für mich eine sehr gefährliche Gruppe, denn man kann sie nicht einschätzen und sie bringen eine Thematik, die undurchsichtig ist.“

Mit dieser Aussage macht die JF in einer Presseinformation zum Interview auf ihr Gespräch aufmerksam. Zumindest missverständlich ist zudem eine andere Stelle zur Bubis-Walser-Debatte. Der Schriftsteller hatte 1998 in seiner Rede in der Paulskirche im Verständnis von Bubis eine zu große Nähe zu Schlussstrich-Tendenzen aufgezeigt. Die zunächst unkritische öffentliche Resonanz auf Walsers Aussagen hatte den Zentralratspräsidenten sehr verbittert. Charlotte Knobloch sagt nun dazu: „Dieses Missverständnis zwischen den zwei wurde von außen später hineininterpretiert, die beiden haben sich sehr wohl verstanden.“ Wobei sie einschränkt: Walsers Rede habe „den Rechtsradikalen Tür und Tor geöffnet“.

Bis zum Redaktionsschluss war weder von Charlotte Knobloch noch von Michel Friedman eine Stellungnahme zu erhalten.