Kein Herz für Verbrecher

Hamburgs Justiz besser als ihr Ruf: Richter Ronald Schill wegen Rechtsbeugung zu 12.000 Mark Geldbuße verurteilt  ■ Von Elke Spanner

Natürlich war es nicht so gemeint. Zwar hatte er angekündigt, im Falle einer Verurteilung vom Richteramt und sämtlichen Parteiposten zurückzutreten, räumte Ronald Schill gestern ein. Er habe stets von einer „rechtskräftigen Verurteilung“ gesprochen, und davon könne keine Rede sein, obwohl das Hamburger Landgericht ihn gestern der Rechtsbeugung für schuldig befand. Kaum war die Strafe in Höhe von 12.000 Mark ausgesprochen, hatte sein Verteidiger Walter Wellinghausen schon Revision eingelegt.

Während Schill sonst in jeder Verhandlungspause zu den Fernsehkameras vor dem Saal eilte, mussten diesmal die JournalistInnen mit Fragen zu ihm kommen. Nach der ers-ten Schrecksekunde, „es kam für mich überraschend“, fand er schnell zu seiner Märtyrerrolle zurück. Er sei Opfer des „der rot-grünen Regierung, die unbedingt an der Macht bleiben will“. Wieder habe sich gezeigt, dass Hamburg „ein Herz für Verbrecher“ hat, befand Schill und meinte damit nicht sich, sondern die Prozesszuschauer aus der linken Szene, die er damals ins Gefängnis sperren ließ. Politisch zurückziehen werde er sich aber nicht, „das kann ich den Menschen nicht antun, die an mich glauben“.

Dass das weniger werden könnten, fürchtet Schill offensichtlich. Und schon heute weiß er, wessen Schuld es sein würde, sollte er in einem Jahr nicht Innensenator von Hamburg sein. Die Staatsanwaltschaft „wird meine Revision monatelang verschleppen, um mich im Wahlkampf zu benachteiligen“, orakelte er. Erst nach der Bürger-schaftswahl werde der Bundesgerichtshof (BGH) Gelegenheit bekommen, ihn freizusprechen, damit er „mit dem Stigma des Rechtsbrechers“ zur Wahl antreten müsse.

Bevor die Kammer in die juristische Würdigung des Tatvorwurfes eingestiegen war, hatte der Vorsitzende die Unterstellung eines politisch motivierten Prozesses zurückgewiesen: „Es gibt nur einen, der ursächlich für die Tatvorwürfe ist, und das sind Sie, Herr Schill.“ In seiner eigenen Amtszeit hätten Ordnungshaftbeschwerden nie länger als drei Stunden unbearbeitet auf dem Schreibtisch gelegen, bei Schill waren es zwei Tage. Schill hatte behauptet, den ersten Tag nach der Inhaftierung mit Sicherungsmaßnahmen für seine Wohnung verbracht und keine Gelegenheit gehabt zu haben, die Beschwerdeakte fertigzustellen. Da hatte er laut Gericht „im nachhinein etwas konstruiert, um die Zeitverzögerung plausibel zu machen“.

Sollte das Urteil vom BGH bestätigt werden, ist Schill vorbestraft. Da die Strafe unter einem Jahr Freiheitsentzug geblieben ist, wird er nicht automatisch aus dem Richteramt entlassen. Im anhängigen Disziplinarverfahren, so Gerichtssprecherin Sabine Westphalen, könne die Verurteilung allerdings gewürdigt werden. Weiterer Bericht S. 8