Standortvorteil Frau

Gleichstellung durch Geldentzug: Obwohl es seit zehn Jahren Frauenbeauftrage anden Berliner Hochschulen gibt, sind Professorinnen weiterhin äußerst dünn gesät

Frauen bekommen für ihre Arbeit dasselbe Geld wie ihre männlichen Kollegen, Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind paritätisch besetzt. Immerhin: Wir leben im ersten Jahr des neuen Jahrtausends. Die Zeiten, in denen das Geschlecht sich auf die Karriere auswirkte, sind endgültig vorbei.

Ein Szenario, das weder in der Wirtschaft noch an den Hochschulen der Wirklichkeit entspricht. Zwar sind in diesem Wintersemester an der Freien Universität (FU) mehr als 55 Prozent der Studierenden weiblich. Aber nur jede zehnte Professur war mit einer Frau besetzt. Und das, obwohl seit zehn Jahren Frauenbeauftragte an den Berliner Hochschulen wirken. Immerhin ist der Frauenanteil im wissenschaftlichen Mittelbau von rund 23 Prozent in 1995 auf mehr als 29 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen.

Auf eine hoch dotierte C 4-Professur wurde im letzten Jahr an der Technischen Universität (TU) nur eine Frau berufen. Die Quote lag schon bedeutend höher als in den beiden vorangegangenen Jahren, als sich keine einzige Frau in der Gehalts-Oberliga fand. Im wissenschaftlich-technischen Bereich tendiert die Frauenquote bei den Hochschullehrern sowieso gegen Null.

Einen Grund für diese Entwicklung sieht Barbara Riedmüller, von 89 bis 91 Berliner Wissenschaftssenatorin, in der mangelnden „Passfähigkeit“ von Frauen: „Professuren werden so gebastelt, dass sie auf bestimmte Männer zugeschnitten sind.“ Außerdem, meint die Professorin, die am Otto-Suhr-Institut lehrt, sei sie schon oft überrascht gewesen, „wie wenig Frauen sich um qualifizierte Posten an der Uni bewerben“. Eine Ursache sei, dass „Frauen sich oft keine Chance gegen männliche Kollegen ausrechnen und sich erst gar nicht bewerben“.

Dabei werde es jedoch immer wichtiger für die Außenwirkung von Hochschulen, dass der Frauenanteil steige. „Im zunehmenden Wettbewerb der Unis untereinander spielt gerade weibliches Personal eine wichtige Rolle.“ Standortvorteil Frau. Aus der Berufssoziologie leitet Riedmüller unter dem Stichwort „numerische Repräsentation“ eine ebenso einfache wie schlüssige Formel ab: „Je mehr Frauen in einem Berufsfeld auftauchen, desto selbstverständlicher können andere Frauen nachfolgen.“

Die Frauenbeauftragte der Berliner Humboldt-Universität (HU) hat ähnliche „Selektionsmechanismen“ ausgemacht. Diskriminierungen beginnen bereits bei der Vergabe von Doktorandenstellen – trotz der „großen Fortschritte“ in den letzten Jahren, meint Marianne Kriszio. Inzwischen häufe sich der Anteil „jeder Menge ehrgeiziger junger Frauen, die sich bewerben“. Damit diese auch in leitende Positionen gelangen, arbeitet die HU mit einem besonderen Anreizsystem: Sind Frauen in bestimmten Fachbereichen unterrepräsentiert, wird nach einem festgelegten Schlüssel die Zuwendung bei Teilen der Sachmittel gekürzt. Mindereinnahmen von bis zu sieben Prozent sind etwa dann möglich, wenn der Frauenanteil unter 15 Prozent liegt. Gleichstellung über Geldentzug.

Neuere Ansätze, wie das so genannte Gender Mainstreaming, das auf EU-Ebene entwickelt wurde, könnten dazu beitragen, der Frauenpolitik an den Hochschulen neue Impulse zu geben. Ähnlich wie bei den obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfungen müsste bei jeder Entscheidung berücksichtigt werden, welche Auswirkungen sie auf die Gleichstellung der Geschlechter hat. Wenn in der Zukunft an die Akademiker-schmieden Geld nach Leistungsindikatoren vergeben wird, werden sicher auch die Erfolge in der Gleichstellungspolitik eine wesentliche Rolle spielen. Marianne Kriszio glaubt dennoch: „Wir brauchen einen langen Atem.“

VOLKER ENGELS