BEI DER VERGABE DES LITERATURNOBELPREISES WURDE GEMAUSCHELT
: Fouls gehören eben dazu

Ganz ohne Kungeleien geht so eine Chose nicht. Warum schließlich sollten ausgerechnet Schweden gefeit sein vor den Versuchungen, die eine Jurymitgliedschaft bereithält? Natürlich glaubt kein Mensch, dass die Auswahl des Literaturnobelpreisträgers ohne die üblichen Mauscheleien, Seilschaften und Skandälchen im Hintergrund abgeht. Absolute Gerechtigkeit ist hier auf Erden unter uns kleinen Sündern eben nicht zu haben, selbst in hehren Literaturdingen nicht. Und – Hand aufs Herz – so kleine Schlammschlachten erhöhen doch den Reiz des hübschen kleinen Spiels, das da Nobelpreis heißt. Zu einem zünftigen Fußballmatch gehört schließlich auch das taktische Foul im Mittelfeld.

Insofern mag man nicht voller Inbrunst „Skandal!“ brüllen, nur weil jetzt bekannt wird, dass eines der Stockholmer Jurymitglieder der schwedische Übersetzer des Preisträgers Gao Xingjian ist. Das kann man, selbst wenn sich alle Vorwürfe als wahr herausstellen sollten, abbuchen unter: Na ja, dumm gelaufen, aber so what!

Allerdings, eins stört: dass es bei der Intrige so sehr an Feingefühl gemangelt hat. Es wurde allzu deutlich, wie grob hinter den Kulissen einer so noblen Veranstaltung um Anerkennung, Einfluss und sogar schnödes Geld gerangelt wird. Da ist man doch ein bisschen verstimmt. Es beleidigt schließlich den Intellekt, wenn zu offensichtlich getäuscht werden soll. Für so tolldreist hätte man selbst die Stockholmer Jury nicht gehalten.

In einer Hinsicht jedoch könnte sich der Skandal, wenn er denn einer ist, sogar als segensreich erweisen: Vielleicht beschädigt er das Ansehen des Nobelpreises so sehr, dass endlich nicht mehr alle Welt einmal im Jahr nach Stockholm schielt. Der literarischen Sache bekäme es vielleicht ganz gut, wenn sich die Ökonomie der medialen Aufmerksamkeit etwas gleichgewichtiger auch auf die anderen großen Literaturpreise verteilte. Dann würde sich die unerfreuliche Korruption in Stockholm sogar als eine hübsche List der Vernunft erweisen.DIRK KNIPPHALS

kultur SEITE 13