Mehr als ein Mensaessen

Vor 25 Jahren erhielt jeder zweite Studi Bafög, heute nur noch jeder fünfte. Nun spendierte Bildungsministerin Bulmahn eine respektable Bafög-Erhöhung. Die von ihr zuerst geplante elternunabhängige Förderung fällt aber flach

Das Studium soll wieder mehr sein als Freizeit zwischen den Nebenjobs. Und Bafög mehr als die Förderung einiger weniger, die sich sonst nicht mal ein Mensaessen leisten könnten. Erstmals seit 20 Jahren spendierte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) eine respektable Bafög-Reform. Auch wenn sie den ersehnten Grundbetrag für alle nicht durchsetzen konnte – es lohnt sich wieder, Bafög zu beantragen.

Ab dem ersten April nächsten Jahres haben rund 440.000 Studenten Anspruch auf staatlichen Unterhalt – das sind 81.000 mehr als bisher. Jeden Monat können sie dann maximal 1.105 Mark statt der jetzigen 1.030 Mark erhalten. Eltern dürfen jetzt auch deutlich mehr Einkommen haben, ohne dass ihre Kinder deshalb aus der Bafög-Förderung herausfallen. Ein Beispiel: Wenn die Eltern monatlich höchstens 3.900 Mark – statt bisher 2.900 Mark – verdienen, werden ihre beiden studierenden Kinder voll gefördert. Bei einem Bruttoeinkommen von 6.500 Mark erhalten die beiden studierenden Kinder immerhin noch 700 Mark im Monat. Die Förderung endet bei einem monatlichen Bruttogehalt von 12.150 Mark. Zudem wird das Kindergeld künftig bei der Ermittlung des Bafögs nicht mehr zum Einkommen dazugerechnet.

Wie dringend es ist, endlich mehr Geld an mehr Studenten auszuzahlen, zeigt der Vergleich: Vor 25 Jahren bezog noch jeder Zweite staatliche Studienförderung. Jetzt ist es knapp jeder Fünfte. In Berlin erhielten im letzten Jahr 31.970 Studenten Bafög – das sind 44 Prozent weniger als 1991. Eine Folge: Kinder aus Arbeiterfamilien zieht es nur selten in die Hörsäle. Eine OECD-Studie belegt, dass in Deutschland nur 28 Prozent eines Jahrgangs studieren. In den anderen Industrieländern sind es im Schnitt 40 Prozent.

Die Gesetzesnovelle will auch verhindern, dass Studenten mit zu viel Schulden ins Berufsleben starten. Künftig müssen sie maximal 20.000 Mark zurückzahlen. Denn Bafög ist nur zur Hälfte ein Zuschuss. Die andere Hälfte muss nach dem Examen ohne Zinsen abbezahlt werden.

Das neue Gesetz schafft außerdem bessere Bedingungen für studierende Eltern: Galten bislang lediglich Kinder unter sechs Jahren als Grund, über die Regelstudienzeit hinaus gefördert zu werden, werden jetzt auch Kinder bis zu zehn Jahren berücksichtigt. Weiterhin erkennt die Regierung nun endlich an, dass ein Auslandsstudium genauso förderungswürdig ist wie ein Examen im Inland. Künftig brauchen Studis nur die ersten beiden Semester in Deutschland zu verbringen. Dann können sie in jedem EU-Land zu Ende studieren, ohne auf Bafög verzichten zu müssen. Auch wer sein Studium unterbrach, soll eine zweite Chance auf Förderung bekommen. Zudem erhalten nach dem neuen Recht Studierende in Ost- und Westdeutschland gleich viel Bafög.

Parallel zur Bafög-Reform tritt am ersten April auch der so genannte Bildungskredit in Kraft: Studenten, die keinen Anspruch auf Bafög-Gelder haben, können für die Prüfungszeit oder für Auslandsaufenthalte ein Darlehen beantragen – maximal für zwei Jahre. Für die Reform stockte der Bund sein Bafög-Budget um eine Milliarde auf insgesamt 3,1 Milliarden Mark auf.

Doch so respektabel diese Summe auch sein mag, die Grünen und auch Bildungsministerin Bulmahn hatten zunächst weitaus ambitioniertere Pläne: Alle Studenten sollten, unabhängig vom Einkommen der Eltern, einen Grundbetrag von 350 bis 400 Mark erhalten. Darüber hinaus sollten sie, gestaffelt nach Bedürftigkeit, Bafög beziehen. Diese strukturelle Reform scheiterte nicht an der Opposition – sondern am Kanzler. Gerhard Schröder fand es nicht reformbedürftig, dass einige Eltern mit dem Kindergeld lieber ihr Eigenheim abbezahlen. Der Vorteil eines Sockelmodells wäre gewesen, dass „erwachsene Menschen nicht bei ihren Eltern um Geld betteln müssen, das ihnen ohnehin zusteht“, sagt Kerry Sailer vom „Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“. Zudem beseitigt die jetzige Reform soziale Ungerechtigkeiten nur teilweise: Was gut verdienende Familien für ihre studierenden Kinder aufwenden, können sie durch Freibeträge ausgleichen, die im Unterschied zum Bafög nicht zurückgezahlt werden müssen. Ein Sockelbetrag für alle hätte auch das Problem abschwächt, „dass vier Fünftel aller Studis jobben und länger als eigentlich nötig studieren“, sagt Sabine Kiel von der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung der Grünen. COSIMA SCHMITT

Informationen über die neuen Bafög-Regeln gibt es beim Studentenwerk, die Eckpunkte der Reform und die Einkommenstabellen im Internet unter www.bundesregierung.de