Der Provokateur

Falke Ariel Scharon provozierte mit seinem Tempelberg-Besuch die Krise. Jetzt bietet ihm Barak einen Platz in der Regierung an

Arafat werde er nie die Hand schütteln, teilte Scharon einmal Bill Clinton mit

BERLIN taz ■ Den meisten PalästinenserInnen gilt schon seine Existenz als Provokation. Für Israels Premierminister ist Ariel Scharon dagegen wieder reif für Amt und Würden. Seit der Rechtsaußen vor fast zwei Wochen begleitet von hunderten Bodyguards auf dem den Muslimen heiligen Jerusalemer Tempelberg aufmarschierte, halten die Aufstände in Palästina an. Ehud Barak würde den zentnerschweren Chef des oppositionellen Likud-Blocks dennoch gerne in seine Regierung holen. Nur ein solches Kabinett der „Nationalen Allianz“ könne weitere Komprisse mit den Palästinensern und Israels arabischen Nachbarn in der eigenen Bevölkerung durchsetzen, so Baraks Kalkül. Bei den Palästinensern würde sie jedoch als Zeichen israelischer Unbelehrbarkeit und Sturheit gewertet.

Denn Scharon ist alles andere als ein Mann des Friedens. Niemals würde er dem Oberpalästinenser Jassir Arafat die Hand schütteln, teilte er einst US-Präsident Bill Clinton mit. Und nach Protesten gegen seinen jüngsten Besuch der drittheiligsten Stätte der Muslime zuckte er nur mit den Schultern: Er würde ja Arafat auch nicht um Erlaubnis für einen Besuch des Strands von Haifa fragen. „Krieger“ überschrieb Scharon seine Autobiografie.

Der 1928 als Sohn polnischer Einwanderer bei Tel Aviv geborene Ariel („Arik“) erlernte schon als Kind das Schießen. Während des Studiums schloss er sich der zionistischen Militärorganisation Haganah an. Als Kommandeur der „Einheit 101“ verschaffte er sich in den Fünfzigerjahren den Ruf, lieber zu viel als zu wenig draufzuhauen. So zertrümmerte er im jordanischen Quibya als Rache gegen palästinensische Guerillas 39 Häuser – angeordnet war die Zerstörung von zehn. Und er ließ mehr als fünfzig tote Zivilisten zurück.

1956 nahm Scharon als Fallschirmspringerkommandeur am Sinaikrieg teil. Im Sechs-Tage-Krieg 1967 war er Oberbefehlshaber des Südkommandos. Im Jom-Kippur-Krieg 1973 trieben seine Truppen die Ägypter zum Suez-Kanal.

Ab Dezember 1973 saß Scharon für den rechten Likud-Block in der Knesset. 1977 wurde er Landwirtschaftsminister. Als solcher frönte er seiner Lieblingsbeschäftigung: Häuserbauen – vorzugsweise in der Nähe von palästinensischen Dörfern ließ er in den besetzten Gebieten jüdische Siedlungen errichten.

Nach den Parlamentswahlen 1981 wurde Scharon Verteidigungsminister – die Symbiose zwischen seinen militärischen und politischen Ambitionen. Er war die treibende Kraft hinter der Libanoninvasion. Und als eine Kommission untersuchen sollte, wer für die Massaker in den Palästinenserlagern Sabra und Schatila (800 Tote) verantwortlich sei, lautete das Ergebnis: Scharon.

Zuletzt amtierte Scharon unter der Likud-Regierung 1990 als Bauminister – mit Arbeitsschwerpunkt Siedlungsbau. Nach dem Gewinn der Wahlen durch die Arbeitspartei unter Ehud Barak verdrängte er Benjamin Netanjahu als Likud-Vorsitzenden. Nun will er wieder in die Regierung. Dafür tut er alles, um seinen Rivalen Netanjahu rechts zu überholen. THOMAS DREGER