Gegentorloser Millerntor-Mythos ade

■ FC St. Pauli gewinnt gegen Greuther Fürth 3:0 – und verliert anschließend 0:3

Für Nico Patschinski hätte das Spiel nach 45 Minuten zu Ende sein dürfen. Der vom Frankenland nach St. Pauli ausgeliehene Stürmer, dessen Clinch mit dem Fürther Coach Benno Möhlmann die Zeitungsspalten vor dem Spiel füllte, hatte zwar kein Tor gemacht. Doch seine Neu-Kollegen in Braun-Weiß führten 3:0 durch zwei Treffer von Thomas Meggle (3./24.) und einen von Ivan Klasnic (42.), und das Stadion sang. Für Nico Patschinski war das Spiel nach 88 Minuten zu Ende. Da nahm Trainer Dietmar Demuth ihn heraus und brachte mit Staczek einen Defensivspieler. Fürth hatte ausgeglichen und war drauf und dran, das Millerntor als Sieger zu verlassen.

„Wir haben heute zwei Mannschaften vom FC gesehen“, räumte Demuth nachher ein. Die zweite sah nach 1999 aus, auf die erste lässt sich bedingt aufbauen: Was Thomas Meggle und Christian Rahn – der zu allen drei Toren die Vorlagen gab – an Kombinationen und Zuspielen in den ersten 45 Minuten zeigten, war phasenweise atemberaubend. Selbst Henning Bürger, umsichtig in der Defensive, aber nicht unbedingt für punktgenaue Günter-Netzer-Pässe zuständig, ließ sich anstecken und leitete mit einem Traumpass das 2:0 ein.

Da störte es nur die Wenigsten, dass die Gäste zu Beginn selbst zwei Tore durch Sbordone (8.) und Felgenhauer (11.) auf ihr Konto hätten buchen können. „Da sind wir an die Wand gespielt worden“, sah Demuth; allein, Warnung für die zweite Hälfte war es offenbar nicht. Zwei Offensiv-Einwechslungen der Gäste zur Pause genügten, um den FC nachhaltig zu verunsichern. „Wir sind nur noch neben den Leuten gestanden“, monierte Demuth, und vor allem standen seine Kicker neben sich selbst. Trulsen, gegen Türr lange souverän, wäre bei einem Klärungsversuch beinahe noch eine Bogenlampe zum 4:3 für die Fürther gelungen.

Der noch reichlich frische Mythos, kein Gast schieße ein Millerntor, wendete sich im vierten Spiel gegen den FC. Nach dem ersten Gegentor taten die Kiezkicker es vermeintlich unbesiegbaren Helden gleich, die plötzlich feststellen müssen, dass es ihnen in der Ferse zwickt. „Wie ein Hühnerhaufen“ habe man gestanden, formulierte der überragende Rahn es prosaischer: „Mit ihren vier Stürmern kamen wir nicht zurecht, da war klar, dass irgendwann ein Gegentor fällt.“ Mit dem ersten ging jegliche Sicherheit verloren, die einstige 3:0-Führung sieben Minuten später.

Wie schon in Mönchengladbach gab der FC sicher geglaubte Punkte aus der Hand. Der FC St. Pauli 2000/01 ist eine gute, aber längst keine Spitzenmannschaft, der es gelingen würde, Drei-Tore-Führungen leger herunter zu daddeln. Stattdessen scheint das Team zu dauerhaftem Offensivfußball verdammt. Ob das eine gute Nachricht ist, muss sich erst noch zeigen.

Folke Havekost

FC St. Pauli: Weber – Stanislawski – Scheinhardt, Trulsen – Rahn, Bürger (70. Bajramovic), Meggle, Lotter, Wehlage (70. Trejgis) – Klasnic, Patschinski (88. Staczek).

Greuther Fürth: Hain – Skarabela – Sbordone, Gorges (46. Lamptey – Surmann, Azzouzi, Walther, Felgenhauer, Ruman (46. Hasenhüttl – Türr, Elberfeld (77. Reichel).

SR: Schmidt – Z.: 16.400

Tore: 1:0 Meggle (3.), 2:0 Meggle (24.), 3:0 Klasnic (42.), 3:1 Surmann (69.), 3:2 Hasenhüttl (75.), 3:3 Hasenhüttl (76.)