Spontanheilung für den Geldbeutel

Geistheilung, Weinwandlung und ehrlicher Materialismus: Die Esoterik-Tage in Wilmersdorf bieten mehrere Wege zum Glück. Die Zukunft erläutert hier die Kristallkugel, der Computer oder ein marktorientierter Horoskopbuchvertreter

Edmund Hoffmann steht hinter einer buckeligen Frau und brüllt sie in voller Lautstärke an: „Allmächtigkeit, Allwahrheit, Allumfassendheit. Alles ist Geist, Materie ist nichts. Friede!“ Einige Damen im Publikum zucken zusammen. Dann wedelt er mit den Händen um die „Aura“ der Frau, schüttelt sich wie ein nasser Hund und flüstert aufmunternd, fast zärtlich: „Jetzt gehen Sie!“ Die von ihren Rückenschmerzen „Geheilte“ macht ein paar vorsichtige Schritte und setzt sich wieder hin. Hoffmann verkündet stolz: „Diese Dame ist nicht von mir engagiert.“

Spontanheilungen seien keine Seltenheit, betont der selbst ernannte Geistheiler. Eine junge Frau mit Kind verliert spontan ihre Kopfschmerzen. Eine andere bricht in spontan-hysterisches Gelächter aus. Eine Dritte steht auf und geht. Die „Geheilte“ verlässt den Saal mit starkem Humpeln. „Naja, es ist halt ein Prozess“, sagt sie.

Die Esoterik-Tage, die am Wochenende im ASV-Logenhaus in Wilmersdorf stattfanden, gehören zu den jährlich etwa 40 Messen in Deutschland, auf denen „Geistheiler“ wie Edmund Hoffmann anzutreffen sind. Der gedrungene Mann weckt Assoziationen an den Gemüsereibenverkäufer vom Wochenmarkt, trägt seinen Bauch über dem Gürtel und redet ohne Luft zu holen über Yin und Yang, Christus und Meditation. „ICH BIN: Die Offenbarung des Edmund“ ist der Titel seines zweiten Buches. Seit 25 Jahren trainiert er „mediale Fähigkeiten und spirituelle und geistige Heiltechniken“.

Außerdem verändert Hoffmann Materie durch den „Segen des Heiligen Geistes“. Dazu legt er seine Hände über Kerzen und erklärt sie anschließend zu „gebündelten Energieträgern“. Genauso verleiht er Wein einen „höheren Bekömmlichkeits- und Geschmackswert“. Einige Zeugen dürfen probieren und stellen fest, dass der gesegnete Wein „nicht mehr im Hals kratzt“ und „fruchtiger“ schmecke.

Auf den Esoterik-Tagen, die viermal im Jahr stattfinden, versprechen ein Dutzend Hellseher, Medien und Wahrsager Heilung von Körper und Seele. Viele sitzen allerdings untätig an ihren nachtblau betuchten Ständen. Eine orientalisch gekleidete Frau kaut vor einer Kristallkugel sitzend ein belegtes Brot. Andrang herrscht hingegen bei einem moderneren Konkurrenten, der per Computer aus der Hand liest.

Auch das Messevolk erfüllt nicht mehr das „Eso-Klischee“ – grau melierter Pagenkopf, Samt oder Batik, Talisman oder heilender Stein. Vielmehr sind die meisten Besucherinnen modisch gekleidet und gut geschminkt, manche tragen ein „Karma-Armband“. Hier und da klingelt ein mobiles Telefon.

Die Esoterik-Szene hat sich gewandelt, wird professioneller moderner – und auch ehrlicher. „Verdienen Sie am Astro-Boom!“, lautet das eindeutige Angebot von „Pegastar“. Die Firma sucht Vertreter für persönlich zugeschnittene Horoskopbücher. „Wir sind wenigstens aufrichtig“, betont der Pegastar-Vertreter Harald Schäfer. „Wir sagen: Hier ist ein riesiger Markt und ihr könnt dran verdienen!“ Je nach eigenem Engagement springe aus dem „Multimillionen-Markt“ mehr oder weniger Geld heraus, so Schäfer. Er selbst habe sich bereits nach eineinhalb Jahren ein Eigenheim erarbeitet.

INGRID GEGNER