Das 0:1 souverän verwaltet

Nach der Niederlage in Cottbus versucht der FC Bayern der leidigen Krisenfrage auszuweichen – und prophezeit der Mannschaft von Energie-Trainer Eduard Geyer eine düstere Zukunft in der Liga

aus Cottbus PETER UNFRIED

Nur mal angenommen, der FC Bayern München hätte tatsächlich eine seiner berüchtigten Krisen: nicht auszudenken. Bekanntermaßen nimmt die Diagnose, Therapie und öffentliche Diskussion derselben in der Regel furchtbare Ausmaße an. Im sich augenblicklich rapide trivialisierenden Fußball müsste man mit tagelangen Livesendungen von den „Aussprachen“ in den Partykellern der Profis rechnen.

Also keine Krise? Furchtbare Tatsache ist: Das 0:1 bei Energie Cottbus war das dritte in Folge. Bayern hat vier von sechs Spielen verloren, die Tabellenführung auch – und steht nicht einmal mehr auf einem automatischen Champions-League-Platz. Also eindeutig Krise?

Die Betroffenen wiegeln routiniert ab. „Ein verlorenes Bundesligaspiel“, nannte Kapitän Oliver Kahn sachlich unwiderlegbar das Ereignis. Das ist einerseits im Sinne einer ruhigen Vorbereitung auf das Champions-League-Spiel gegen Paris St. Germain am Mittwoch und das folgende Derby gegen 1860 zu verstehen. Andererseits ist es gefährlich, weil die Bagatellisierung eine Nonchalance enthält, die schon bald gegen die Bayern verwendet werden kann.

Sowohl Trainer Ottmar Hitzfeld als auch Kahn benutzten den Terminus, der Gegner sei eben „über sich hinausgewachsen“. Energie einfach zu gut? Der vormalige Tabellenletzte hat getan, was er konnte. Das für Bayern Bedenkliche ist, dass das offenbar reicht; nämlich tief und massiert in der eigenen Hälfte zu arbeiten und von der ersten Sekunde entschlossen „1.000-prozentig Fußball zu kämpfen“ (Kapitän Beeck).

Natürlich war es ein „total unnötiger Ballverlust“ (Hitzfeld) von Abwehrchef Andersson, der die in der Vorwärtsbewegung befindlichen Bayern in Unterzahl brachte, was Torschütze Sebek (16.) ausnützte. Natürlich konnte danach der Gegner „seine Taktik voll ausspielen“ (Hitzfeld) – aber es wäre ja grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass ein internationaler Spitzenklub trotzdem reagieren kann.

Es gibt also einige Fragen. Warum ist Bayern nicht in der Lage, gegen eine „nicht so starke Mannschaft“ (Hitzfeld) Chancen herauszuspielen? Erneut zeigte sich, dass ohne Sforza (und Effenberg) Zuordnung und Rhythmus nicht stimmen. Zwei Chancen zählte Hitzfeld. Es gab keine Kreativität, kein Flügelspiel, dafür halb diagonale hohe Bälle in die Angriffsmitte, über die sich die lange Cottbuser Abwehrzentrale wahrscheinlich noch heute amüsiert. Na ja, man habe ja das Spiel eindeutig „kontrolliert“, behauptete Kahn. Stimmt: Man kontrollierte das 0:1.

Als „Hölle“, wie Hitzfeld befürchtet hatte, erwies sich Cottbus im Übrigen nicht. Natürlich war große Emotionalität im ausverkauften Stadion. „Eine richtig gute Atmosphäre“, spürte Energie-Trainer Eduard Geyer. Mag sein, dass Uli Hoeneß das etwas anders empfunden haben mag. Von Energie-Präsident Krein im Zuge der Daum-Affäre als unsolidarischster Wessi der Liga anmoderiert, sah er sich im Stadion der Freundschaft mit einiger Ablehnung konfrontiert. Weil Hoeneß aber bekanntlich ein besonnener Mann ist, ging er eisern schweigend von dannen.

Eduard Geyer bleibt allerdings vorsichtig. Die nassforschen Worte des Sommers („einstelliger Tabellenplatz“) sind Vergangenheit. Auch im „Sport-Studio“ sah man ihn vorsichtig grinsend nach bedächtigen Formulierungen ringen. Es ist wie bei der nebenan tagenden PDS („Mit Energie und Leidenschaft“) – ein „sehr, sehr weiter und steiniger Weg“ (Geyer) von Cottbus bis zur Etablierung in der Mitte der Bundesligagesellschaft. Es bleibt dabei, dass seine kostengünstigen Profis technische Probleme grundsätzlicher Art haben, wodurch das ohnehin Kräfte zehrende (mit Libero!) Kampf- und Laufspiel noch erheblich intensiviert wird.

„Andeutungen“ hat Geyer, dass es vorangeht. Doch keinen Beweis, dass die „1.000 Nationen“, die Manndecker Beeck im Kader ausgemacht hat, tatsächlich „eine Einheit“ sind, die eine Sprache spricht. Auch wenn die drei Deutschen, zehn Osteuropäer und der Brasilianer Franklin zugegebenermaßen prächtig harmonierten: in dem, was der völlig ironiefreie Hitzfeld als „internationale Härte“ identifizierte.

Reicht das? Anders als im Fall der Bayern ist Oliver Kahn skeptisch. „Die nächsten vier Spiele kriegen sie wieder auf den Sack“, sagte er. Das muss man ernst nehmen. Kahn kennt sich schließlich mit „Auf den Sack kriegen“-Serien inzwischen aus.

Cottbus: Piplica - Hujdurovic, Beeck, Sebök, Matyus - Latoundji (72. Franklin), Scherbe, Micevski (89. Vata), Akrapovic - Labak (79. Kobylanski), Helbig München: Kahn - Sagnol, Andersson, Linke, Tarnat - Wiesinger (46. Sergio), Jeremies, Fink (46. Salihamidzic), Scholl - Elber (62. Santa Cruz), Jancker Zuschauer: 20.500; Tor: Sebök (16.)