Grüne wollen Internet grün färben

Auf der Suche nach der verlorenen Jugend bemüht sich der Länderrat der Partei um die Generation @. Mit den grünen Stammthemen tun sich die Delegierten schwer: Der Punkt Rechtsextremismus rutscht auf der Tagesordnung nach hinten

von NICOLE MASCHLER

Keine jugendliche Ausstrahlung ohne Internet. Und so wagten sich die als Technikmuffel verschrieenen Grünen mitten im hippen Berlin an das Thema moderne Informationstechnologien. „Green it“, lautete das Motto des Länderrates am Samstag – „der Modernisierung eine Richtung geben“. Um Informationsgerechtigkeit geht es den Grünen und um eine „libertäre Perspektive“ – alte Forderungen in neuem Gewand. Der Länderrat – das höchste beschlussfassende Gremium zwischen den Parteitagen – sollte vor allem eines: beweisen, dass grüne Werte aktuell sind wie nie.

Das neue Führungsduo Renate Künast und Fritz Kuhn war im Juni mit dem Ziel angetreten, die Bundespartei auch programmatisch zu erneuern. Nur mit einfachen Botschaften könnten die Grünen ihre Anliegen erfolgreich unters Volk bringen, ermahnte Kuhn jetzt die Abgeordneten. Doch schon im nächsten Satz bediente er sich selbst wieder eines jener Wortungetüme, die grüne Politik für viele Wähler so unattraktiv machen. Die Partei, so Kuhn, dürfe Technik nicht nur als „Sachzwangvollzug wirtschaftlicher Imperative“ betrachten. Auch sonst tut sich die Partei mit der selbst verordneten Modernität schwer.

Während FU-Professor Axel Zerdick und Pixelpark-Mann Phillip Stradtmann über Chancen und Risiken des World Wide Web referieren, lichten sich die Reihen. Die Mitarbeiter der vier Internet-Firmen, die im Foyer ihre Stände aufgebaut haben, stehen sich derweil die Beine in den Bauch. Informationstechnologie ist eben kein grünes Herzensthema.

Dabei treibt die Sorge um das Image der Partei tatsächlich viele Delegierte um. So warnte der baden-württembergische Fraktionschef Dieter Salomon davor, die eigenen Wahlchancen durch fruchtlose Debatten zu gefährden. Im Frühjahr stehen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Landtagswahlen ins Haus. „Wir brauchen euch. Lasst uns nicht allein in Baden-Württemberg“, bittet Salomon denn auch inständig.

Statt Endlosdebatten wie auf dem letzten Parteitag herrschte am Wochenende verdächtige Ruhe. Gegen den Antrag des Bundesvorstandes zur Rentenreform gibt es kaum Widerstand. Das vom Frauenrat geforderte Eingeständnis, dass die Hauptlast der Beiträge künftig bei den unter 40-Jährigen liege, lehnen die Abgeordneten ab. Schließlich versuchen die Grünen, sich als Anwalt der jungen Generationen zu präsentieren. Doch bei dem Versuch, sich selbst neu zu erfinden, scheint die Partei originär grüne Themen aus dem Blick zu verlieren.

Das Thema Rechtsextremismus taucht als letzter Punkt auf der Tagesordnung auf – ganz so, als sei sich die Partei ihrer Definitionshoheit auf diesem Feld zu sicher. Dabei wirkten die Delegierten in Sachen NPD-Verbot seltsam unentschlossen. „Ich bin dafür, einen Verbotsantrag zu stellen, wenn wir sicher wissen, dass er zum Erfolg führt“, formulierte der grüne Rechtsexperte Volker Beck vorsichtig. Die Reduzierung der Debatte auf ein Verbot sei gefährlich, warnte Parteisprecherin Künast. Wichtig sei eine „Dreier-Methode“: Repression, Prävention und Zivilcourage. Und für einen Moment scheint der alte Kämpfergeist wieder durch. „Zivilcourage heißt auch“, sagt Renate Künast, „der Versuchung zu widerstehen, das Thema Einwanderung zum Wahlkampfthema zu machen.“