Stimmige Mixturen

■ Brillant: Jazz-Posaunist Ray Anderson & BassDrumBone improvisierten in Delmenhorst

Nun schreibe ich doch noch was über die Expo. Dabei wollt' ich's ignorieren. Doch dann fährt man nach Delmenhorst, ausgerechnet, um sich ein Jazzkonzert anzusehen, ein erwartbar gutes Jazzkonzert ... Aber halt! Nicht einfach ein Konzert, nein, sondern der „Expo-Trombone-Summit“ war's. Die Veranstaltenden, offensichtlich ganz begeistert von so viel Internationalismus, kündigten Ray Anderson gleich mal als „Trombonisten“ an. Heißt zwar auch nur, als dass der gute Mann Posaune spielt, aber bitte.

Anderson, derzeit anerkanntermaßen einer der besten und kreativsten an seinem Instrument, wurde zum Workshop eingeladen. Da hatte er einige „very talented people“ erlebt. Ob das die Gleichen waren, die einen gut zwei Stunden warten ließen, bis „BassDrumBone“ schließlich (für eine knappe Stunde) auf der Bühne standen? Als Vorspiel gab's einige sehr schöne Kompositionen für vier Posaunen, eine akzeptable Ballade für Posaune und Klavier von Frank Martin aus dem Jahr 1944 sowie eine überlange Improvisation des vierköpfigen HCL-Ensembles samt Lesung. Leider aber lief sich das alles sehr schnell tot. Weniger ist manchmal eben mehr. Die langatmige und wenig inspirierte „Iveragh Moods-Suite“ von Hans Kämper, zugleich künstlerischer Leiter des Summit, lasse ich freundlicherweise mal unter den Tisch fallen.

Und schließlich: „BassDrumBone“. Dazu gehören neben Anderson noch Schlagzeuger Gerry Hemingway und Mark Helias am Kontrabass. Drei Instrumente, drei New Yorker Musiker und ein Set wie aus einem Guss. Ich hab' überlegt, ob die Formation vielleicht deshalb „BassDrumBone“ heißt und nicht etwa Anderson-Trio, weil die Instrumente hier zu sich selbst kommen (sollen). Denn das Konzept ist, Möglichkeiten erstens der Instrumente und zweitens des Triospiels zu expandieren. Und das hat auch etwas mit dem berühmten Mut zur Lücke zu tun, mit der Bereitschaft, auch mal leise und äußerst sparsam zu spielen.

Dass das aufgeht, hat weniger mit dem angekündigten „traumwandlerischen Verständnis“ zu tun, als vielmehr mit äußerster Konzentration. „BassDrumBone“ spielten, als wollten sie eben kurz mal demonstrieren, was denn genau mit „Interaktionsmodellen“ und „Spielkonzepten“ gemeint war. Die gehörten nämlich zum Lehrstoff. Zu Letzterem gehört, dass hier Jazztraditionen weniger als Collage, denn als Mixtur funktionieren. Trotz aller Vertracktheit im Klangbild, ergibt das insgesamt etwas Ruhiges, Fließendes. Nicht so sehr eine schnelle Abfolge von immer wieder anderen Styles wie Swing, Blues oder Freier Improvisation, wie man sie derzeit gerade aus NY so oft (und höchst unterhaltsam) zu hören bekommt.

„BassDrumBone“ gehören zu den schlausten Formationen des Genres, gerade weil sie auch popnahe Melodieführung nicht ironisch distanziert zitieren, sondern selbstverständlich einweben. Außerdem kommt es nicht so häufig vor, dass Skills nicht Selbstzweck sind, sondern sie so im Gesamtsound aufgehen, dass es einen atemlos macht beim Zuhören. Ohne dass man es allerdings mit irgendeiner Form von Muckerattitüde zu tun hätte.

Viel besser lässt sich die Musik nicht beschreiben. Bleibt noch die Bemerkung, dass es schön wäre, solche Acts auch weiterhin in unseren Breiten zu hören zu kriegen.

Tim Schomacker